„Man soll das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erreichen“, sagte Ute Rönnebeck, geschäftsführende Vorständin Demeter im Westen, in einer Diskussionsrunde auf der Fachmesse BioWest am 7. April in Düsseldorf. Das Ziel der Bundesregierung 30 Prozent der Agrarflächen bis 2030 ökologisch zu bewirtschaften sei richtig, man habe aber Schwierigkeiten es rechtzeitig zu erreichen. Die größte Gefahr sei fehlender politischer Mut.
Energisch brachte Rönnebeck ihre Kritik vor und nahm dabei vor allem die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union ins Visier. „Wir haben eine Rolle rückwärts erlebt, die sich gewaschen hat.“ Mühsame Errungenschaften wie die GLÖZ-Ziele (der gute landwirtschaftliche und ökologische Zustand der Flächen – Anmerkung Jens Brehl) seien aufgeweicht worden. „Sie haben eine gute Basis für eine weitere Ökologisierung gelegt, die meisten Ziele sind aber wieder zurückgedreht.“ Die verlängerte Zulassung von Glyphosat für weitere zehn Jahre bemängelte sie darüber hinaus. Unter dem Strich werde die Vorzüglichkeit des ökologische Landbaus politisch teils konterkariert, was eine weitere Hürde für Betriebe sei, auf Bio umzustellen.
Schnell viel mehr nötig
Derzeit werden 11,8 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet, der fünffache bisherige Zuwachs – sprich ein jährliches Plus von 430.000 Hektar – ist nötig. Es bis 2030 zu schaffen ist utopisch. Das von der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast ausgerufene Ziel von 20 Prozent bis 2010 hat gerade mal Halbzeit. Nun heißt vielmehr, so schnell wie möglich zumindest in die Nähe von 30 Prozent zu rücken. Wann auch immer diese geknackt sind.
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Seit Jahrzehnten betont die Bio-Lebensmittelbranche, dass insbesondere die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) ein großer Hebel sei, um Nachfrage zu generieren. Karin Romeder, Mitglied der Geschäftsleitung Naturland Zeichen und dort unter anderem für die AHV zuständig, bemängelte das Fehlen von verlässlichen Zahlen, wie hoch der Bio-Anteil dort überhaupt ist. „Der Tischgast wird uns auch in zehn Jahren nicht um Bio bitten, sondern wir müssen mit gutem Geschmack punkten“, stellte sie zudem klar. Schreibt ein öffentlicher AHV-Träger den Bezug von Lebensmitteln aus, so müsse dies für konventionelle und ökologisch erzeugte Ware getrennt erfolgen. Dann könnte der Bio-Großhandel punkten, der naturgemäß kein konventionelles Sortiment vorhält. Den Start von Bio Partner Deutschland Foodservice begrüßte Romeder ausdrücklich. Der Zusammenschluss von vier Bio-Großhändlern ermöglicht es Akteuren der AHV mit mehreren Standorten in Deutschland zentral einzukaufen und dennoch mit regionaler Ware versorgt zu werden. Es muss einfach sein lautete Romeders Kernbotschaft. Die neuen freiwilligen AHV-Kennzeichen Bronze für einen Bio-Anteil von 20 bis 49 Prozent gemessen am monetären Wareneinsatz, Silber für 50 bis 89 Prozent und für Werte darüber hinaus Gold seien bestens geeignete Kommunikationsmittel. „Den Medaillenspiegel versteht jeder.“
Auch die Arbeit in den Öko-Modellregionen leiste deutschlandweit ihren Beitrag, Lebensmittelhandwerk zu erhalten, Wertschöpfungsketten aus- sowie aufzubauen und entlang derer Betriebe zu motivieren sich bio-zertifizieren zu lassen. „Übergeordnetes Ziel ist stets das bessere Vernetzten der lokalen Erzeuger, Verarbeiter, Händler und Verbraucher“, hob Hannah Fischer, Koordinatorin der fünf Öko-Modellregionen in Nordrhein-Westfalen, einen in ihren Augen oftmals unterschätzten Faktor hervor.
Raus aus der Öko-Blase
Damit die Bio-Nachfrage weiter kräftig wachsen kann, heißt es neue Konsumentinnen und Konsumenten außerhalb der Öko-Blase zu erreichen. Die vergangenen November als Teil der Bio-Strategie gestartete und mit 7,6 Millionen Euro unterfütterte Bio-Informationskampagne des Bundeslandwirtschaftsministeriums „Bio? Na Logo!“ konnte Moderator Detlef Harting zumindest kreativ wenig abgewinnen. Rönnebeck brach die Lanze: Inhaltlich sei die Kampagne gut angelegt gewesen. „Sie hat die Kernthemen des ökologischen Landbaus fokussiert und damit dem Verwässern durch gesetzlich ungeschützte Werbebegriffe wie ‚ressourcenschonend‘ vorgebeugt.“ Sie sei jedoch eindeutig zu kurz und finanziell unzureichend ausgestattet gewesen. Neutrale Informationen seien enorm wichtig, damit in den Köpfen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht alleine die großen Handelsketten Bio definieren. Die erste Kampagne unter Künast hätte natürlich einen größeren „Wumms“ erzeugt. Veranstaltungsformate waren neu, zudem hatte die BSE-Krise den Boden für ökologische Alternativen bereitet. In dieser Verunsicherung einen europaweit gesetzlich geschützten und regelmäßig aktiv kontrollierten Lebensmittelstandard nebst staatlichem Bio-Siegel präsentieren zu können, war sehr willkommen.
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