„Derzeit muss man deutlich risikofreudiger sein“
Während die Nachfrage nach hochwertigen Bio-Lebensmitteln in den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie extrem stieg, sind derzeit aufgrund der Preissteigerungen vor allem günstige Produkte in den Fokus der Kundschaft gerückt. Welche Folgen dies für hochpreisige Verbandsware hat und ob man mit ökologischen Werten derzeit überhaupt punkten kann, erklärt Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber im Interview. Von besonderen Herausforderungen und bitteren Realitäten für Erzeugerbetriebe in den östlichen Bundesländern spricht Geschäftsführerin des Landesverbands Demeter im Osten, Nancy Schacht.
Zweinutzungshühner: Wie groß wird die Bio-Nische sein?
Seit Jahren sind sich Anbauverbände und Bio-Branche in weiten Teilen einig: Sie möchten sich in der Bio-Geflügelhaltung von einseitig auf Hochleistung gezüchteten Tieren verabschieden. Die Zukunft soll Zweinutzungsrassen gehören, die wieder eine ausgeglichene Balance zwischen Eierlegeleistung und Fleischansatz aufweisen, so dass auch männliche Tiere einen wirtschaftlichen Wert besitzen. Die unrentable und ökologisch äußerst fragwürdige Aufzucht der Bruderhähne der Lege-Rassen soll nur ein Zwischenschritt sein. So recht kommt das Vorhaben allerdings nicht voran. Inga Günther, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Ökologischen Tierzucht (ÖTZ), und Wertschöpfungskettenmanager Joachim Jeske, erklären, woran es in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten besonders hapert.
„Die Vergangenheit trägt uns nicht in die Zukunft“
Der Bio-Boom der ersten beiden Corona-Jahre ist zumindest im Bio-Fachhandel wieder vorbei: Der Umsatz ging im vergangenen Jahr um 12,3 Prozent auf 3,14 Milliarden Euro zurück und liegt damit unter dem Niveau von 2019. Welche Wege aus der „Depression“ führen könnten, wollte eine Podiumsdiskussion auf der vergangenen Sonntag in Leipzig stattgefundenen Fachmesse BioOst klären. Während die Strahlkräfte der Anbauverbände schwinden, solle man vor allem ehrlich zugeben: Der Bio-Fachhandel mache nicht immer alles besser. Diesbezüglich wurden Dennree und Alnatura offen kritisiert.
„Der Sinn der Sache“ bekommt Verstärkung
Mit seiner seit 2018 laufenden Bio-Fachhandels-Kampagne „Der Sinn der Sache“ wendet sich die Spielberger Mühle von reinem Preis-Marketing ab und stellt im zweimonatigen Wechsel Werte wie bäuerliche Landwirtschaft, nachhaltige Verpackung, faires Wirtschaften und dergleichen in den Fokus. Alleine könne man die Aktionen nicht mehr weiter stemmen. Als Partner ließen sich die Ölmühle Moog (Bio Planète) und die Molkereigenossenschaft Hohenlohe-Franken (Schrozberger Milchbauern) gewinnen, wie auf der diesjährigen Biofach bekannt gegeben wurde. Im April startet die Kooperation in 420 teilnehmenden Bio-Läden.
„Wir müssen durch die Delle“
15,31 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2022 für Bio-Lebensmittel aus, ein Minus im Vergleich zum Vorjahr von 3,5 Prozent. Der Umsatz liegt jedoch ein Viertel über dem von 2019 vor dem Bio-Boom der ersten beiden Jahre der Corona-Pandemie. Das geht zum Teil auch auf gestiegene Preise zurück. Auf der heutigen Bilanzpressekonferenz der diesjährigen Biofach wurde wieder klar: Der Markt wird die ökologische Transformation ohne unterstützende Politik kaum bewältigen und das Ziel der Bundesregierung 30 Prozent Bio-Flächen liegt noch in weiter Ferne, obwohl 2030 angepeilt ist.