Die Kundschaft ist beim Lebensmittelkauf aufgrund gestiegener Energiekosten und hoher Inflation sparsamer geworden. Besonders der Bio-Fachhandel bekommt dies zu spüren, dort sinken die Umsätze. Im ersten Halbjahr ist ein Minus von 14,9 Prozent zu verzeichnen. Der Anbauverband Biokreis hat sich vor drei Jahren zum Bio-Fachhandel bekannt und schließt seitdem strategische Kooperationen mit dem Discountern aus und schränkt sie beim konventionellen Handel ein. Ist das in der aktuellen Situation noch tragbar? Biokreis-Geschäftsführer Josef Brunnbauer und die beiden Wertschöpfungskettenmanagerinnen Anja Ettner und Anna Sophie Feigl im Gespräch.
In der aktuellen wirtschaftlichen Situation haben es hochpreisige Bio-Premiumprodukte schwer am Markt. In welchen Kategorien sind besonders hohe Rückgänge zu verzeichnen?
Josef Brunnbauer: Bei tierischen Produkten wie Milch, Eier und Fleisch ist zu beobachten, dass die Kundschaft auf günstige Bio-Eigenmarken der Lebensmittelhändler ausweicht. Bei Bio-Schweinefleisch läuft der Grundumsatz relativ gut, hier gibt es weniger Probleme. Unsere Biokreis-Verarbeiter berichten jedoch, dass Rind- und Geflügelfleisch ungleich schwerer zu vermarkten sind. Bio-Rinderhack war in den ersten beiden Corona-Jahren der Renner und geht momentan überhaupt nicht. Derzeit sind Altkühe fast unverkäuflich.
Anna Sophie Feigl: Schweinefleisch wird in vielen Wurstsorten verarbeitet, daher ist die Nachfrage recht stabil. Generell sind derzeit besonders Preiseinstiegsprodukte gefragt.
Was sind die Konsequenzen daraus?
Josef Brunnbauer: Wo es möglich ist, wird die Produktion gedrosselt. Bei Bio-Geflügelhaltern sind die Ställe nicht mehr voll besetzt oder stehen teilweise sogar leer. Sind allerdings weniger Tiere im Stall, fehlt Körperwärme. Dann muss im Winter entsprechend stärker geheizt werden, und die Energiekosten sind extrem hoch.
Alle Nutztiere unterliegen allerdings einem gewissen Lebens- und Produktionszyklus. Sind Jungtiere bereits auf der Welt, müssen sie einen Platz finden.
Auch im konventionellen Lebensmittelhandel stärker nachgefragte Bio-Eigenmarken wären doch für Biokreis-Erzeuger und -Verarbeiter ein guter Absatzkanal. Prangt auf Ihnen nicht nur das EU-Bio-Logo, sondern zudem das Verbandszeichen ist es preislich umso attraktiver. Laut Mitgliederbeschluss vor drei Jahren dürfen Discounter keine Eigenmarken mit Biokreis-Logo Inverkehrbringen, der konventionelle Lebensmittelhändler nur, wenn er mindestens ein Fünftel seines Umsatzes mit Bio-Produkten erwirtschaftet. Kann sich Biokreis diese ideologisch geprägte Luxushaltung in der aktuellen Marktsituation überhaupt leisten?
Josef Brunnbauer: Biokreis-Betriebe können frei an jeden Marktpartner liefern und sind im Wesentlichen dem Bio-Fachhandel treu. Ob der Beschluss der Mitglieder weiterhin Bestand hat, hängt weniger von den Möglichkeiten im konventionellen Handel ab, sondern ob der Bio-Fachhandel die von uns ausgestreckte Hand annimmt. Auf den Mitgliederversammlungen braucht es gute Argumente, warum man den Fachhandelsbeschluss weiterhin hält. Füllt ihn der Bio-Fachhandel nicht mit Leben, indem er verstärkt Biokreis-Produkte listet und sie besonders hervorhebt, wird er sich ab einem gewissen Punkt erübrigen.
Wo klemmt die Kooperation mit dem Bio-Fachhandel noch?
Josef Brunnbauer: In den letzten zwei Jahren blieb wenig Zeit, um sich inhaltlich und strategisch auszurichten, in erster Linie galt es zu Beginn der Pandemie die sprunghaft gestiegene Nachfrage nach Bio-Lebensmittel bedienen zu können. Nun herrscht angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der damit verbundenen hohen Inflation die nächste Krise. In einzelnen Bereichen bewegt sich schon etwas, aber insgesamt nicht in dem von uns gewünschten Umfang.
Generell muss der Bio-Fachhandel wesentlich flexibler werden. Ein einem anderen Anbauverband zugehöriger Bio-Getränkehersteller hat mir berichtet, wie schwer es für ihn teilweise ist, seine Produkte regional in den Handel zu bringen. Während eine Rewe-Filiale seinen Saft begeistert ins Sortiment aufgenommen hat, wurde er von einem inhabergeführten Bio-Laden weggeschickt. Der Ladner könne die Produkte nicht ins Kassensystem einpflegen, sein Bio-Großhändler müsste sie vorher listen.
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Immer wieder heißt es, der Bio-Fachhandel muss sein Profil schärfen und Besonderheiten bieten, um bestehen zu können. Da müsste ein Anbauverband, der sich offen zu ihm bekennt doch wie gerufen kommen.
Als Bioland 2018 seine Kooperation mit dem Discounter Lidl bekannt gab, waren etliche Bio-Fachhändler extrem enttäuscht. Quer durch die Branche wurde vom „Sündenfall“ gesprochen. Man muss sich bewusst sein, einem Discounter zu helfen sich einen grünen Anstrich zu verpassen. Das Unternehmen steht nicht für handwerklich geprägte Strukturen. Ähnlich wird es bei Aldi Süd aussehen, mit dem Naturland seit Kurzem kooperiert. Kaufland (gehört wie Lidl zur Schwarz-Gruppe, Anmerkung Jens Brehl) ist sogar Mitglied bei Demeter.
In einer Podiumsdiskussion auf der diesjährigen BioNord über die Zukunft des Bio-Fachhandels wurde dafür geworben mehr mit den Anbauverbänden Bioland, Naturland und Demeter zu machen. Dabei sind das die Totengräber des Bio-Fachhandels, um den sie sich natürlich parallel auch noch kümmern. Zumindest wurde aus der damaligen Enttäuschung deutlich, dass es einen Anbauverband braucht, der klar zum Bio-Fachhandel steht und nicht sobald er bekannter geworden ist, den Schulterschluss mit dem konventionellen Handel sucht.
Gibt es auch Erfolgsbeispiele in der Zusammenarbeit zwischen Biokreis und dem Bio-Fachhandel?
Anna Sophie Feigl: Im November 2020 startete im Süden und im August 2021 im Osten ein vom Bundeslandwirtschaftsministerium gefördertes Projekt, um neue Wertschöpfungsketten mit dem Ziel aufzubauen, regionale Bio-Produkte im Handel zu platzieren. Durch den regelmäßigen Austausch mit unseren Partnern aus dem Bio-Fachhandel wächst das Verständnis füreinander und das ist das, was die Zusammenarbeit langfristig stärkt. Wir können unsere Mitglieder im Rahmen des Projekts dabei unterstützen, ihre Produkte im Handel zu platzieren. So werden die Haferdrinks des Start-Ups Voi Guad jetzt bei Dennree gelistet.
Anja Ettner: Einer unser Kooperationspartner ist die Bio-Supermarktkette Bio Company, die bei ihren Eigenmarken bei offen ausgelobter Verbandsware exklusiv auf Biokreis setzt.
Etwa 70 Prozent der Bio-Lebensmittel setzt der konventionelle Handel ab. Warum hält Biokreis überhaupt so vehement am Bio-Fachhandel fest?
Anja Ettner: Wir möchten gemeinsam mit Erzeugern, Verarbeitern und Händler Projekte entwickeln und mit dem Bio-Fachhandel geht das immer noch am besten. Hier treffen wir auf Menschen mit den gleichen ökologischen Idealen. Bio dient dort eben nicht nur dazu, sich zu profilieren.
Anna Sophie Feigl: Es fällt deutlich leichter, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, um individuelle Produkte und regionale Spezialitäten auszuprobieren und auszuloten, was es für jeden Einzelnen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit braucht.
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