Bio? Logisch!

„Auf Kundschaft zu warten wird nicht funktionieren“

Die Umsätze im Bio-Fachhandel sind rückläufig, wichtigste Vertriebskanäle für Bio-Lebensmittel sind schon lange der konventionelle Lebensmittelhandel und die Discounter. Driften Bio-Läden in die Bedeutungslosigkeit ab? Für Karin Romeder von der Naturland Zeichen GmbH bleibt der Bio-Fachhandel ein wichtiger Partner – allerdings muss er sich dringend neu erfinden.

Im vergangen Jahr sank der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln im Bio-Fachhandel um 3,3 Prozent. Vergleicht man die Zeiträume Januar bis Mai letztes und dieses Jahr miteinander, steht laut Agrarmarkt Informations-Gesellschaft ein saftiges Minus von 22,2 Prozent zu Buche, auch wenn die Umsätze noch über dem Niveau von vor der Pandemie liegen. Wie ist der Rückgang zu erklären?

Aufgrund der derzeitigen Preissteigerungen greifen Verbraucher verstärkt bei vergleichsweise günstigen Bio-Eigenmarken des konventionellen Handels zu. Seit der Pandemie möchte ein Teil der Kundschaft auch nicht mehrere Geschäfte aufsuchen, um den kompletten Einkauf zu tätigen – Stichwort Kontakte reduzieren. Hier haben Bio-Läden mit ihrem kleineren Produktangebot im Vergleich mit den Vollsortimentern das Nachsehen.

Während Lockdown und Homeoffice wurde entsprechend zu Hause gekocht – gerne mit hochwertigen Bio-Lebensmitteln. Nun wird öfter außer Haus gegessen, die Menschen zieht es wieder nach draußen. In der Außer-Haus-Verpflegung hat Bio noch ein großes Entwicklungspotenzial.

Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Das haben sie sehr diplomatisch ausgedrückt. Man könnte auch sagen, Bio spielt in der Außer-Haus-Verpflegung immer noch keine Rolle. Laut einer Marktstudie des Bundesprogramms Ökologischer Landbau haben dort Bio-Lebensmittel im Wareneinkauf einen Anteil von lediglich 1,3 Prozent.

Eine negative Darstellung soll keine Akteure abschrecken, denn in diesem Bereich muss sich noch eine Menge bewegen. Schließlich möchten wir 30 Prozent ökologische Landwirtschaft bis 2030.

Wachstumstreiber für die Bio-Branche sind schon lange der konventionelle Lebensmittelhandel und die Discounter, die beim Umsatz kräftig zulegen. Dort werden mittlerweile etwa 70 Prozent der Bio-Lebensmittel abgesetzt, wie Prof. Dr. Achim Spiller schätzt. Verliert der Bio-Fachhandel immer weiter an Bedeutung?

Der Bio-Fachhandel hat nach wie vor eine Daseinsberechtigung, als Pionier hat er die Bio-Branche erst groß gemacht. Er kann die Geschichten und Hintergründe am besten transportieren, was wiederum besonders gut die kleineren Bio-Läden mit ihrem engen und persönlichen Kontakt zur Kundschaft zu leisten vermögen. Keine Frage, das bedeutet stets einen größeren Mehraufwand als „einfach“ Ware ins Regal zu stellen.

Die Krux ist, dass angestammte Ladnerinnen und Ladner ihr Profil wieder schärfen müssen. Das predigen wir seit über zehn Jahren. Und die jüngere nachrückende Generation möchte gerne nicht mehr so viel arbeiten, wie das die Vorgänger getan haben.

Was darf’s sein: Bio-Fachhandel oder Discounter?
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Wie können sich kleinere Bio-Läden besonders abheben?

Im Sortiment sollte Regionalität wieder eine größere Rolle spielen; auch die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten ist groß. Mit unserer Zertifizierung Naturland fair verbinden wir ökologische Landwirtschaft und fairen Handel, wobei neben dem Kakao-Produzent aus dem globalen Süden auch die heimische Milchbäuerin ein höheres Einkommen erzielt. Hier ist der Partnerbetrieb Milchwerke Berchtesgardener Land besonders zu nennen. Das ist die Chance, noch besseres Bio anzubieten.

Wird im örtlichen Kindergarten noch selbst gekocht, könnte man die Zutaten liefern. Meist sind die Abnahmemengen für den Bio-Großhandel zu klein, der örtliche Bio-Laden kann das aber sehr gut stemmen.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass auch die Menschen und deren Ideale hinter den Geschäften in der Region sichtbar werden, indem sie sich beispielsweise in der Lokalpolitik engagieren. Das bringt Aufmerksamkeit und bindet letztendlich auch Kundschaft.

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Das Arbeitspensum der Ladnerinnen und Ladner ist oft enorm. Böse gesagt läuft es mancherorts auf Selbstausbeutung hinaus. Und dann soll man sich noch in der Lokalpolitik engagieren und bis spät abends an Gemeinderatssitzungen teilnehmen?

Natürlich formuliere ich an dieser Stelle hehre Ziele. In der Regel verschreibt man sich mit Leib und Seele einem kleineren Geschäft und es gibt Ladnerinnen und Ladner, die nur dafür leben. Bestes Beispiel ist für mich Ursula Wagner aus Dettenhausen mit ihrem 75 Quadratmeter großem Geschäft, welches in der Leserwahl von Schrot & Korn zum besten Bio-Laden 2022 gekürt wurde.

Der Bio-Fachhandel spielt beim Vermarkten von Bio-Fleisch und -Wurst eine untergeordnete Rolle, wichtigster Vertriebskanal sind hier die Discounter. Auch Eier und Fleisch der Zweinutzungshühner und -hähne lässt der Bio-Fachhandel weitgehend links liegen, dabei könnte er der Kundschaft die ökologischen Hintergründe am besten erklären. Wo lässt der Bio-Fachhandel Chancen verstreichen, sich durch sein Sortiment zu profilieren?

Das Fleisch vom Zweinutzungshahn ist vergleichsweise teuer und daher schwer zu verkaufen – und die wenigsten haben es bislang probiert. Dabei stellt es eine besonders hohe Qualität dar, die vielleicht nicht jeden Sonntag auf den Tisch kommen kann. Allerdings überzeugt der Geschmack, so dass man sich diese Spezialität ab und an gönnen würde.

Auch Fischtheken mit einer guten Beratung vermisse ich im Bio-Fachhandel. Damit könnte man auf Feinschmecker abzielen, die höhere Preise zugunsten einer besseren Produktqualität tolerieren.

Was sind derzeit die größten Herausforderungen?

Im ersten Jahr der Pandemie stieg die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln enorm (für 2020 war ein Umsatzplus von 22 Prozent zu verzeichnen, Anmerkung „über bio“). Daher galt es zunächst lange das Alltagsgeschäft zu bewältigen und überhaupt die Versorgung sicherzustellen, schließlich gab es auch Knappheiten. Die Logistik des Bio-Großhandels war teils an ihre Grenzen gestoßen. Das war nicht zukunftsorientiert und es fehlte die Zeit, Sortimente strategisch zu gestalten. Manch einer hat vielleicht auch geglaubt, die hohe Nachfrage bleibt und Bio wird zum Selbstläufer.

Aufgrund der Weltlage sind Verbraucher zunehmend ängstlich und verunsichert, fangen wieder an beim Lebensmitteleinkauf zu sparen (€). Niemand weiß, wo die Energiepreise landen werden. In einem solchen Umfeld unternehmerische Entscheidungen zu fällen und zukunftsorientiert zu denken ist herausfordernd. Ich bewundere jeden, der seine Ideen weiterhin umsetzt und entsprechend investiert.

In unabhängigen Läden fiel in den 70er-Jahren der Startschuss Bio-Lebensmittel an die Kundschaft zu bringen. Heute dominieren Dennree und Alnatura den Markt, sie könnten geschätzt bereits rund ein Drittel des Fachhandelsumsatzes mit Bio-Lebensmitteln auf sich vereinen – genaue Zahlen geben die Unternehmen nicht bekannt. Kürzlich berichtete das Fachmagazin BioHandel, zähle man im Falle von Dennree Kooperationsläden und die von selbstständigen Kaufleuten betriebenen Bio-Markt-Läden hinzu, stünde hinter jedem fünften Naturkostfachhändler die Dennree GmbH. Wie beurteilen Sie die Situation?

Eine hohe Konzentration an Filialen erzeugt auch eine größere Aufmerksamkeit für Bio.

Welche Zukunft sehen Sie für unabhängige Bio-Läden und kleine Filialisten?

Sie bleiben wichtig, weil sie häufig die Nahversorgung mit Bio-Lebensmitteln sicherstellen, zudem sind sie soziale Anlaufstellen für einen Austausch. Die Ladnerinnen und Ladner sind oft die ersten Ansprechpersonen für ökologische Fragen. Die Globalisierung wird sich auch ein Stück weit wieder in Richtung Regionalität drehen und daher neue Chancen eröffnen. Sich allerdings lediglich hinter die Ladentheke zu stellen und auf die Kundschaft zu warten wird nicht funktionieren.

Seit September 2020 ist Karin Romeder bei der Naturland Zeichen GmbH tätig und betreut dort unter anderem die Bereiche Fachhandel und Außer-Haus-Verpflegung. Sie ist seit vier Jahrzehnten in der Bio-Branche tätig und hat beispielsweise 25 Jahre Marketing und Vertrieb des Bio-Großhändlers Ökoring geleitet.

Foto: Max Werkmeister

1 Kommentar zu “„Auf Kundschaft zu warten wird nicht funktionieren“

  1. Hannelore Derenbach

    Beratungen für mich waren immer hilfreich.

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