Bio? Logisch!

Umsatz-Rückgang im Bio-Fachhandel: Man müsste mal mehr kooperieren

Energiekosten steigen wie auch der Mindestlohn, gleichzeitig spart die Kundschaft aufgrund der hohen Inflation beim Lebensmitteleinkauf. Der Bio-Fachhandel verzeichnet in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Umsatzrückgang von 14,9 Prozent. Gerade für kleinere Bio-Läden wird die Gemengelage zum Problem, wie Kathrin Jäckel, Geschäftsführerin Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), in einer Podiumsdiskussion auf der diesjährigen Fachmesse BioNord betonte. Die Diskutierenden waren sich einig: Die Bio-Branche müsse noch enger zusammenrücken.

In den ersten beiden Corona-Jahren schoss die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln in die Höhe. Nun lautet die große Frage: Wie finden wieder mehr Kunden den Weg in den Bio-Fachhandel und wie schafft man es, dass sie dort auch einen großen Anteil ihres Wocheneinkaufs erledigen? Bio ist bei der Kundschaft weiterhin beliebt, aber sie kauft es derzeit gerne so günstig wie möglich, wie etwa bei Discountern. Wohl allen sei klar gewesen, dass die Rekordumsätze im Bio-Fachhandel zurückgehen, wenn die Pandemielage nicht mehr so akut ist. Doch mit der Höhe der Rücksetzer habe man nicht gerechnet, wie Jäckel betonte. Wohin die Reise geht, sei unklar. Es ließe sich aus den letzten zwei Jahren nicht seriös ableiten, wie sich die Umsätze im Bio-Fachhandel in naher Zukunft entwickeln.

Kann die Bio-Branche mit einer Stimme sprechen?

Stefan Voelkel, einer von mehreren Geschäftsführern der gleichnamigen Naturkostsafterei, wollte kein Klagelied anstimmen; etwa dass der Preis für Glasflaschen um fast ein Drittel gestiegen ist. Stattdessen müssten jetzt der Großhandel, Fachhandel wie auch die Erzeuger gemeinsam massiv in Werbung und Kommunikation investieren. „Wir haben das Rezept gegen den Klimawandel. Wir sind Klimaretter.“ Doch außerhalb der Bio-Blase sei dies immer noch weitgehend unbekannt. Aus dem Publikum meldete sich Sabine Moeller-Schritt, Geschäftsführerin des Bio-Großhändlers Kornkraft Naturkost, und warb eindringlich dafür, sich gemeinsam unter dem Ziel zu vereinen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Voelkel ging noch einen Schritt weiter und rührte die Werbetrommel für die Gemeinwohl-Ökonomie, der sich sein Unternehmen bereits 2019 angeschlossen hatte. Derzeit entsteht die zweite Gemeinwohl-Bilanz, die das ökologische aber auch soziale Engagement des Unternehmens bewertet und damit sichtbar macht.

beenhere

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Auch Ralf Hoppe, Verkaufsleiter bei Bauck, möchte weg vom Klein-klein und den „Problemchen“, die manche Akteure der Bio-Branche untereinander hätten. Keiner von ihnen schaffe es alleine, in der breiten Bevölkerung sichtbar zu werden. Zur Wahrheit gehört, dass selbst relativ große Bio-Marken außerhalb der Naturkost-Szene so gut wie unbekannt sind. Bio sei allerdings noch lange nicht am Ende: „Der konventionelle Handel baut sein Bio-Sortiment aus, weil auch er weiß, dass das die Zukunft ist“, betonte Hoppe. Jäckel erinnerte an die BNN-Aktion „Öko statt Ego“, die die Werte insbesondere des Bio-Fachhandels kommunizierte. Nur sei diese eben nicht bei allen BNN-Mitgliedern auf Gegenliebe gestoßen. Scheinbar dreht man sich an dieser Stelle im Kreis. Die Bio-Branche ist geprägt von klein- und mittelständischen Unternehmen und ist daher extrem vielfältig und fragmentiert. Diesen vielstimmigen Chor zu vereinen, ist durchaus herausfordernd. Dennoch sei es laut Jäckel prüfenswert, ob man eine ähnliche Aktion wie „Öko statt Ego“ erneut auflege.

Lidl macht es möglich

Unerwähnt blieb in der Diskussion, dass Bioland auf Umwegen durch bundesweite Werbeaktionen weitere Käuferschichten auf Bio aufmerksam macht und gewinnt. Genauer gesagt ermöglicht das der Werbe-Etat des Discounters Lidl, mit dem Anbauverband seit 2018 kooperiert. Seitdem ist der ebenfalls zur Schwarz-Gruppe gehörende Lebensmittelhändler Kaufland Mitglied bei Demeter geworden und Naturland kooperiert seit diesem Jahr mit Aldi Süd. Ist der Bio-Fachhandel überhaupt der richtige Partner, um der breiten Bevölkerung Bio näher zu bringen? Erwartungsgemäß haben sich die Branchenvertreter diesbezüglich während der Diskussion nicht selbst infrage gestellt. Ebenso ist es erstaunlich, dass keiner der Diskutierenden Biokreis auch nur mit einem Wort erwähnte. Dabei hat sich der viertgrößte Anbauverband in Deutschland als einziger bereits vor drei Jahren zum Bio-Fachhandel bekannt und Discountern eine klare Absage für eine strategische Zusammenarbeit erteilt.

„Die Bio-Branche war ihrer Zeit immer voraus und das müssen wir wieder nach vorne stellen“, sagte Jonathan Mesecke, Geschäftsführer und Einkaufsleiter des Bio-Großhändlers Naturkost Elkershausen. „Der Zukunft des Fachhandels sehe ich positiv entgegen. In er Welt, die immer digitaler und anonymer wird, schaffen Bio-Läden Begegnungen.“ Doch man müsse das Profil genau schärfen: regionale Produkte, Besonderheiten, Feinkost.

Die Diskussion blieb größtenteils vage, wer sich ein konkretes Ergebnis oder Handlungsimpulse versprochen hatte, musste enttäuscht werden. So ist man unter dem Motto man müsste mal mehr kooperieren wieder seiner Wege gegangen.

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