Bio zu günstigen Preisen auch in den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel sowie in den Discount bringen (Menschen erreichen wo sie sind und auch für schmale Geldbeutel hochwertige Lebensmittel bieten), die ökologische Agrarwende vorantreiben (sichere und auskömmliche Einkünfte für Erzeuger, mehr Arten- und Sortenvielfalt) und die Logiken des konventionellen Handels durchbrechen (einseitiger Fokus auf Schnelldreher und Preisdruck) ist die Mission von Andreas Swoboda, Geschäftsführer der Bio-Großbäckerei Bio Breadness aus dem hessischen Fulda. Gleich auf mehreren Ebenen bohrt er dicke Bretter, denn: Bio ist zwar seit Jahren ein fester Bestandteil des Sortiments, aber was Bio im Kern bedeutet, hat noch nicht jeder Akteur bis zur letzten Konsequenz verstanden.
Bio Breadness liefert Bio-Aufbackware in hoher Verbandsqualität zu erstaunlich günstigen Preisen an den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und an Discounter. Wie ist das möglich?
Von Beginn an lautete das Hauptziel Nachfrage schaffen, damit auf so vielen Flächen wie möglich ökologisch Getreide angebaut werden kann – und zwar bestenfalls unter den strengeren Vorgaben der Anbauverbände wie Bioland, Naturland oder Demeter. Um auf entsprechende Mengen zu kommen, können wir uns nicht auf den Bio-Fachhandel beschränken. Ohne den kompletten Markt zu öffnen, schaffen wir keine ökologische Agrarwende.
Unsere Produkte durchleben eine 30-stündige Prozessführung, davon reift der Teig satte 24 Stunden. Daher können wir wie von den Anbauverbänden gefordert auf Hilfsstoffe wie Enzyme verzichten, die unter EU-Bio erlaubt sind. Gleiches bei unserem Partner Sauer Mühle: Das Mehl hat Zeit zum Ablagern, Eiweiß wandelt sich um und wird backfähig. Die unter EU-Bio zugelassene Ascorbinsäure als Mehlbehandlungsmittel benötigen wir gar nicht. Im Grunde sind Zeit und Platz entscheidend – nicht ohne Grund heißt unsere Eigenmarke SlooOW.
Und woher kommt dann der günstige Preis?
Weder bei Personal, der Qualität der Rohstoffe und auch nicht bei den mit uns verbundenen Erzeugern wird gespart. Attraktive Preise für den Handel können wir bieten, da wir im Drei-Schicht-Betrieb fahren. Alle drei Stunden verlässt ein voll beladener Sattelschlepper unseren Hof. Handarbeit kommt dort zum Einsatz, wo sie sinnvoll ist, ansonsten geht Effizienz vor. Dann steht am Ende ein Verkaufspreis, der es vielen Menschen besser ermöglicht sich mit Bio zu ernähren.
Zu Ihren Kunden gehört auch der Bio-Fachhandel. Für ihn müssten Sie eigentlich der Böse sein, weil sie LEH und Discounter mit günstiger Bio-Verbandsware ausstatten. Denn genau dorthin wandert ein großer Teil seiner wieder beim Lebensmitteleinkauf sparsamer gewordenen Kundschaft ab.
Der Bio-Fachhandel ist und bleibt ein wichtiger Partner, beispielsweise um die Vielfalt auf dem Acker und damit notwendige Fruchtfolgen zu ermöglichen. Dafür hat er meist entsprechende Eckartikel gelistet. Für die Bio-Konsumenten wird er bedeutsam bleiben, weil sie dort auch weiterhin Spezialitäten finden werden, die nicht in andere Handelsstrukturen gelangen.
Bio-Lebensmittel gibt es seit etlichen Jahren nahezu überall zu kaufen. Wie ernst meint es der LEH und die Discounter mit der ökologischen Agrarwende?
In allen Häusern gibt es mittlerweile Menschen, die Bio voranbringen möchten. So mancher Discounter ist sogar engagierter, als man es vermuten würde. Da gibt es kein Schwarz und Weiß.
Mehr Vielfalt und langfristige Partnerschaften nötig
Während der Bio-Fachhandel seine Wurzeln in Anfängen der Bio-Bewegung in den 1970er-Jahren hat, beschäftigen sich andere Marktakteure vergleichsweise erst seit Kurzem mit Bio-Lebensmitteln. Wo klemmt es noch?
Mit einem engen Sortiment an Bio-Artikeln kann ich keine ökologische Landwirtschaft betreiben, weil die eine viel größere Vielfalt benötigt. Wenn beispielsweise Sonnenblumenkerne in bester Verbandsqualität bei einem Erzeuger „übrig“ sind, müssen Hersteller und Handel flexibel genug sein, dass ein entsprechender Sonderartikel produziert werden kann und den Weg in die Regale findet. Damit kann man sich sogar auf dem Markt noch profilieren. In den Regalen muss auch für Bio-Produkte Platz sein, die nicht die absoluten Schnelldreher sind, aber Arten- und Sortenvielfalt auf den Höfen ermöglichen.
Zudem sind die Ausschreibungszeiträume des Handels mit einem Jahr viel zu kurz gedacht, denn Landwirtinnen und Landwirte planen ihre Fruchtfolgen viel weiter im Voraus. Sie benötigen Planbarkeit und verlässliche Einnahmen, von denen sie gut leben, ihren Betrieb weiterentwickeln und damit zukunftssicher machen können. Kurzfristige Sortimentsänderungen gefährden landwirtschaftliche Betriebe. Dieses tiefgreifende Bewusstsein für Bio muss sich bei den Herstellern und dem Handel noch festigen. Wenn das gelänge, wären wir einen Schritt weiter.
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Eine für das Marketing verantwortliche Person einer Supermarktkette sagte mir einmal Lebensmittelhandel sei Krieg, alleinig Marktanteile und der billigste Preis seien entscheidend. Und Bio ist da jetzt mittendrin.
Sobald Handelshäuser ihren teils harten Wettbewerb auf die Bio-Lebensmittelbranche übertragen, wird es gefährlich. Landwirte und Hersteller brauchen breite Vertriebskanäle, denn sie sind mit ihrer ökologischen Wirtschaftsweise schon spezialisiert genug. Wettbewerb in Sachen Qualität ist jedoch förderlich. Aus meiner Sicht ist es die richtige Handelsstrategie, sich immer wieder besser zu positionieren. Beispielsweise könnte man bei Punkten wie regionaler Herkunft, Tierwohl und dergleichen nachschärfen. So entwickeln sich vorgelagerte Stufen qualitativ weiter. Ich freue mich über jeden Hersteller, der für die ökologische Landwirtschaft Nachfrage generiert.
Sobald Handelshäuser ihren teils harten Wettbewerb auf die Bio-Lebensmittelbranche übertragen, wird es gefährlich.
Andreas Swoboda
Inwieweit verstehen Endkunden Bio, oder haben die anhand von unzähligen Siegeln und Nachhaltigkeitskennzeichen nicht schon längst den Überblick verloren?
Wir Ökos sind in vielen Punkten in der Kommunikation zu kompliziert. Dabei ist es denkbar einfach: Kauft unsere Produkte, denn der Erhalt einer lebenswerten Welt ist der Grundgedanke hinter allem. Gerade jüngeren Menschen müssen wir heute erklären, dass Bio ökologisch nachhaltig und die Branche aus der Umweltbewegung heraus entstanden ist. Beim CO2-Fußabdruck schneidet vielleicht ein konventionelles Brot in Mecklenburg-Vorpommern besser als ein Bioland-Brot in Unterfranken ab. Unberücksichtigt bleibt, wie die ökologische Landwirtschaft Biodiversität erhält und im besten Fall noch steigert. Das Artensterben ist ebenso existenzbedrohend wie der Klimawandel, vieles ist schon unwiederbringlich verloren gegangen.
Das Bio-Siegel ist daher immer noch das umfassendste Nachhaltigkeitskennzeichen. Mit bunten Bildchen und allerlei Labels werden zwar die ernsten Interessen der jungen Generation angesprochen, führen aber gegebenenfalls zu falschen Entscheidungen.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Wir müssen uns vermehrt pflanzenbasiert ernähren – d‘accord. Aber Hafermilch alleine rettet nicht die Welt. Dauergrünland ist ein wertvoller CO2-Speicher und ein Hort der Artenvielfalt, der durch das Bewirtschaften beispielsweise durch Weidehaltung erhalten bleibt. Hier ergibt eine Bio-Milchkuh großen ökologischen Sinn. Würde man die Fläche in einen Bio-Acker für Hafer umwandeln, wird weniger CO2 gespeichert und auch die Artenvielfalt nimmt graduell ab.
Über das Unternehmen
Bio Breadness GmbH im hessischen Fulda war ursprünglich als Produktionserweiterung der Herzberger Bäckerei unter den Firmennamen gutes gut gebacken gmbh gedacht, die sich auf Bio-Aufbackware spezialisiert. Im Zuge des Verkaufs der Lebensmitteleinzelhändlers tegut an den schweizer Migros-Genossenschafts-Bund kehrte die Herzberger Bäckerei wieder wie ursprünglich in den Besitz von tegut zurück, allerdings nicht der neu errichtete Produktionsstandort und die Sauer Mühle aus dem bayerischen Frensdorf-Reindorf. Beide sind seit 2016 Teil der Pandriks Holding aus den Niederlanden. Der deutsche Standort ist ein reiner insbesondere auf TK-Artikel spezialisierter Bio-Betrieb. Etwa 80 Prozent der Bio-Brote und -Brötchen werden in den Handelsfilialen frisch aufgebacken und anschließend lose verkauft, der Rest landet in heimischen Backöfen. Insgesamt sind rund 70 Prozent der Produkte als Verbandsware ausgewiesen und tragen daher die Siegel von Bioland, Naturland oder Demeter.
Über Andreas Sowboda
Seit Gründung von Bio Breadness 2016 ist Andreas Swoboda Geschäftsführer. Zuvor war er 18 Jahre beim Lebensmitteleinzelhändler tegut zuletzt in der Geschäftsleitung tätig. Dort zeichnete er sich unter anderem für die Qualitäts- und Umweltarbeit sowie dem Rohstoffmanagement verantwortlich. Bereits seit zehn Jahren ist er im Vorstand der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller aktiv. Swoboda studierte Lebensmitteltechnologie mit dem Abschluss Diplom Ingenieur.
Bild: Robert Gross
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