Bio? Logisch!

„Wir müssen durch die Delle“

15,31 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2022 für Bio-Lebensmittel aus, ein Minus im Vergleich zum Vorjahr von 3,5 Prozent. Der Umsatz liegt jedoch ein Viertel über dem von 2019 vor dem Bio-Boom der ersten beiden Jahre der Corona-Pandemie. Das geht zum Teil auch auf gestiegene Preise zurück. Auf der heutigen Bilanzpressekonferenz der diesjährigen Biofach wurde wieder klar: Der Markt wird die ökologische Transformation ohne unterstützende Politik kaum bewältigen und das Ziel der Bundesregierung 30 Prozent Bio-Flächen liegt noch in weiter Ferne, obwohl 2030 angepeilt ist.

Die sparsamer gewordene Kundschaft greift zwar nach wie vor zu Bio-Lebensmitteln, aber oftmals zu günstigeren Produkten. Obwohl die Preise im Bio-Fachhandel teils deutlich stabiler waren, musste dieser einen Umsatzrückgang von 12,3 Prozent auf 3,14 Milliarden Euro verkraften. Noch schlimmer hat es die sonstigen Verkaufsstätten wie Bäckereien und Metzgereien getroffen. Ihnen fehlten im vergangenen Jahr 18,2 Prozent Bio-Umsatz, der nur noch 1,97 Milliarden Euro ausmachte. Gewinner sind der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel und die Discounter, die ein Umsatz-Plus von 3,2 Prozent verbuchen können: 10,2 Milliarden Euro landeten hier in den Kassen – und damit zwei Drittel des gesamten Umsatzes mit Bio-Lebensmitteln. „Ein vielfältiger ökologischer Landbau lässt sich nicht alleine über das Discounter-Regal abbilden. Wir brauchen ebenso vielfältige Handelsstrukturen“, machte Tina Andres, Vorstandsvorsitzende Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, deutlich. Zwar verfüge der Bio-Fachhandel nur über sechs Prozent der Verkaufsstellen, dennoch erziele er ein Fünftel des gesamten Umsatzes.

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Bio-Fleisch deutlich weniger gefragt

Die privaten Einkaufsmengen schrumpften bei Bio-Lebensmitteln oftmals ähnlich wie bei ihren konventionellen Pendants. Lediglich pflanzliche Drinks, pflanzliche Fleischersatzprodukte und Käse aus Kuhmilch legten zu. 14,8 Prozent weniger Bio-Fleisch landete im Einkaufswagen, nur Bio-Butter verkaufte sich mit einem Rückgang von 17,5 Prozent noch schlechter. „Die Konsumenten kochen nun nicht mehr so viel Zuhause“, sagte Diana Schaack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft. Die vorgestellten Zahlen seien allerdings in Relation zu sehen. Zu berücksichtigen sei die enorm hohe Bio-Nachfrage der ersten beiden Corona-Jahre. Die Analystin zeigte sich bei aller Krisenstimmung optimistisch. „Das Marktvolumen wird nicht mehr auf das Niveau von vor der Pandemie sinken. Weiterhin werden die Menschen Bio-Lebensmittel kaufen, wir müssen nur durch diese Delle. Die Frage wird sein, wie lange sie dauert.“ Dieses Jahr werde wohl noch schwierig.

Laut Öko-Barometer des Bundeslandwirtschaftsministeriums sind nach wie vor die Hauptgründe warum acht von zehn Befragten zu Bio-Lebensmitteln greifen artgerechte Tierhaltung, möglichst naturbelassene Lebensmittel und regionale Herkunft. „In der Krise hat sich das nicht grundlegend verändert“, stellte Schaack heraus. Die Befragung ist repräsentativ und 2022 wurden 1.014 Interviews geführt.

Bio-Versäumnisse aufholen

Bis 2030 sollen laut Bundesregierung 30 Prozent der Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. Dem steht ein marginaler Zuwachs von 3,7 Prozent im vergangen Jahr auf nun 11,26 Prozent entgegen. Demnach sind es 1,869 Millionen Hektar, mit 910.000 Hektar knapp die Hälfte davon Grünland. Benötigt wird ein jährlicher Zuwachs von 15 Prozent.

Mit dem Ausbau der Flächen ist es allerdings nicht getan, denn es braucht eine entsprechende Nachfrage. Hierfür könnten besonders öffentliche Kantinen, wie von Behörden, Polizei und Bundeswehr sorgen. Andres forderte eine verpflichtende Bio-Quote von 50 Prozent. Generell müsse die Politik verstärkt die Werte und Qualitäten von Bio kommunizieren, hierzu wäre in den vergangenen Jahrzehnten wenig zu sehen gewesen. „Die letzte große öffentliche Kampagne fällt noch in die Zeit von Renate Künast als Landwirtschaftsministerin.“ Auch der ökologische Anbau müsse sich weiterentwickeln und effizienter werden – doch die staatlichen Fördermittel liegen im einstelligen Prozentbereich. „Durchaus haben wir hier 20 Jahre aufzuholen“, kritisierte Andres.

Umweltschäden einpreisen und ökologisches Wirtschaften belohnen

Am Ende bliebe das Grundproblem mit Preisen, die nicht die Wahrheit sagen. „So lange es sich wirtschaftlich nicht lohnt, Ressourcen zu schonen und man im Gegenteil noch abgestraft wird, weil man seine Produkte teurer ins Regal stellen muss, lebt die Bio-Landwirtschaft mit einer eklatanten Wettbewerbsverzerrung.“ Aus eigener Kraft könne man sich daraus nicht lösen, ein politischer Rahmen, der natürlichen Ressourcen in der ökonomischen Bilanz einen Wert zuspricht und daher verursachte Umweltschäden einbezieht, sei gefragt. Einer für alle pflanzlichen Lebensmittel gesenkten Mehrwertsteuer erteilte Andres daher erwartungsgemäß eine klare Absage. Denn dies würde auch Anbaumethoden fördern, bei denen Pestizide und Kunstdünger zum Einsatz kommen. Viel eher solle die Mehrwertsteuer ausschließlich für Bio-Lebensmittel sinken.

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