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„Ich wollte schon immer 100 Prozent Bio“

Inhaber und Küchenchef Jonas Sporer hat es offiziell gemacht: Seit Ende Juni ist sein Restaurant Ritter im hessischen Fulda bio-zertifiziert. Schon seit Jahren setzt er in Teilbereichen oft oder sogar ausschließlich auf Bio-Lebensmittel. Der langfristige Plan: 100 Prozent Bio. Doch dafür brauche es vor allem einen sehr langen Atem.

Jonas Sporer, Küchenchef und Inhaber Restaurant Ritter in Fulda
Stolz auf das Bio-Zertifikat: Jonas Sporer, Küchenchef und Inhaber Restaurant Ritter in Fulda.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Bereits als Jonas Sporer vor sieben Jahren das Restaurant Ritter in der Innenstadt übernahm, stand ein klarer ökologisch nachhaltiger Weg fest. Kein Wunder, denn immerhin hatten seine Eltern in den 1980er-Jahren die Stadtfraktion der Grünen mitbegründet. „Bio war bei uns schon immer Thema. Die große Frage ist doch, in welchem Zustand wir die Erde unseren Nachkommen hinterlassen möchten.“

Schritt für Schritt zu mehr Bio im Restaurant

Dank angeschlossenem Hotelbetrieb verarbeitet das Restaurant wöchentlich 700 bis 900 Eier, in der Spargelsaison auch gerne bis zu 1.100 – allesamt in Bio-Qualität. Eier und Rindfleisch liefert Andrea Helmer mit ihrem Naturland-Betrieb Stadt Bauer bei Fulda Niederrode. Seit 2019 stammen die Gänse ausschließlich aus ökologischer Landwirtschaft, genauer gesagt vom Biohof Feldfuchse in Thalau. Dort wachsen derzeit 100 Gänse auf, die sich Sporer verpflichtet hat abzunehmen. „Man kann jederzeit zum Hof fahren und sich die Ritter-Herde anschauen“, freut sich der Gastronom. Der erste Schlachttermin ist Anfang November. Als nächstes wird der Kaffee vollständig auf bio umgestellt. Fuldas erste nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Rösterei Kaffeekultur liefert bald mit Kaffa II eine Mischung aus wildem und kultiviertem Kaffee, dessen Bohnen im äthiopischen Regenwald gedeihen.

Vorerst ist das Restaurant Ritter teilzertifiziert, sprich einzelne Lebensmittel sind garantiert immer bio und entsprechend ausgelobt. Mit dem Bio-Zertifikat ist nun ein wichtiger Schritt für den weiteren Ausbau getan. Ein Anruf bei der Öko-Kontrollstelle genügt, um neue Komponenten zu melden, die nachweislich aus ökologischer Landwirtschaft stammen. Jährlich wird nun das Restaurant kontrolliert, ob die Zusagen auch eingehalten werden. „Ich wollte schon immer 100 Prozent bio und das werde ich auch in 20 Jahren erreichen“, ist sich Sporer sicher.

beenhere

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Für Außenstehende mag dieses Ziel nicht sonderlich ambitioniert klingen. Tatsächlich ist es nach wie vor herausfordernd, jederzeit einen kontinuierlichen Warenfluss zu gewährleisten. Besonders, wenn man auf Bio-Lebensmittel aus der heimischen Region setzt, die oftmals nur in begrenzten Mengen verfügbar sind und man sie von mehreren Lieferanten beziehen muss – nichts mit mal eben schnell alle Einkäufe im Großhandel erledigen. Dann heißt es, direkte Kontakte zu den Erzeugern aufzubauen und oft weit im Voraus zu planen. Schließlich kann man bei einer Monate zuvor gebuchten Feier nicht plötzlich sagen, die bestellten Rouladen gibt es doch nicht, weil das Bio-Rindfleisch fehlt. Auch deswegen hatte Sporer die letzten Jahre nicht allzu offensiv mit den ökologischen Lieferanten geworben. „Zunächst musste ich sicherstellen, dass es immer funktioniert.“ Zudem muss er gute Argumente anbringen, damit die Bauern ihn beliefern, anstatt die Ware zu einem höheren Preis an Endkunden zu verkaufen. Der große Vorteil: Sein Restaurant nimmt regelmäßig ab, so dass Landwirtinnen und Landwirte mit festen Einnahmen rechnen können. „Das Vertrauen wächst oft über jahrelange Zusammenarbeit.“ Es brauche demnach einen sehr langen Atem.

Darüber hinaus baut Sporer mit seiner Lebensgefährtin im eigenen Garten in Maberzell in drei Beeten und im Gewächshaus Gemüse an. „Letztes Jahr musste ich nur sechs Kürbisse zukaufen, der Rest stammte aus eigenen Anbau.“ Der ist zwar nicht bio-zertifiziert, allerdings wird ökologisch gegärtnert. Das sei etwas ganz anderes als der kleine Pseudo-Kräutergarten neben so manchem Sterne-Restaurant.

Fleischerhandwerk in der Restaurantküche

Nach Möglichkeit möchte Sporer das ganze Tier verwerten, denn es besteht nicht nur aus Edelteilen. In der Restaurantküche ist daher echtes Fleischerhandwerk gefragt, wenn mit dem vom Jäger geschossenen Rehbock 70 Kilo Fleisch fachgerecht zugeschnitten werden muss. „So etwas kann heute kaum noch ein Koch.“ Als er das erste Mal eine ganze Kuh kaufte, standen in seiner Küche 400 Kilo Fleisch in 30 Kisten – unbeschriftet. Ein altes Schnittposter war der Rettungsanker, so dass Sporer Fleischteile erkennen und zuschneiden konnte.

Wo andere verzweifeln mögen, freut sich der Küchenchef fachlich herausgefordert zu sein. Als nächstes Experiment wird er vom Biohof Feldfuchse aufgezogene Bruderhähne der Lege-Hybride beziehen. Bis vor kurzem wurden diese Tiere noch als Küken direkt nach dem Schlupf getötet, da sie sich kaum für die Mast eignen. Die Hochleistungs-Legerassen sind einseitig gezüchtet, um möglichst viele Eier zu produzieren – der Hahn ist überflüssig. Nach dem Verbot des Kükentötens direkt nach dem Schlupf zum 1. Januar dieses Jahres in Deutschland ist bei allen Anbauverbänden (Ausnahme Biopark) die Aufzucht der Bruderhähne Pflicht. Auch unter EU-Bio ziehen etliche Höfe die Tiere groß. Das Problem: Sie verbrauchen vergleichsweise viel Futter und bringen am Ende wenig Fleisch. Der Bruderhahn macht mit einem Schlachtgewicht von maximal 1,6 Kilo eine eher magere Figur. „Das ideale Brathähnchen für eine Person“, freut sich hingegen Sporer, der dem Tier einen Wert geben möchte. Allerdings ist der Fettanteil geringer, daher droht das Brathähnchen extrem trocken zu werden. „Das kriege ich schon saftig hin“, verspricht er mit leuchtenden Augen. Er habe da ein paar Ideen.

Ritter für die ökologische Agrarwende

Bis 2030 möchte die Bundesregierung, dass 30 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet werden. Heute sind es rund elf Prozent, das Ziel ist entsprechend ambitioniert. Schließlich benötigt es einen jährlichen Zuwachs von zwölf Prozent. Auf der Eröffnungs-Pressekonferenz der diesjährigen Biofach kritisierte Tina Andres, Vorsitzende Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, hingegen fehlende staatliche Fördermittel. Nach derzeitigen Stand würden diese lediglich für drei Prozent mehr Öko-Fläche bis 2027 reichen.

Es ist demnach kein Chichi, wenn Gastronomen wie Sporer auf Bio-Lebensmittel setzen. Diese spielen in der Außer-Haus-Verpflegung immer noch keine wesentliche Rolle, wie auch die Marktstudie des Bundesprogramms Ökologischer Landbau belegt. Bezogen auf den Wareneinkaufswert haben Bio-Lebensmittel einen Anteil von dürftigen 1,3 Prozent. Die Außer-Haus-Verpflegung ist ein wichtiger Schlüssel, um die Nachfrage weiter zu stärken und letzten Endes die angestrebte ökologische Agrarwende zu vollziehen. Das betonen Vertreterinnen und Vertreter der Bio-Branche seit Jahren unermüdlich. Doch es braucht auf der einen Seite mutige Akteure, die diesen ökologischen Schritt in der Praxis gehen. Auf der anderen Gäste, die diesen im wahrsten Sinne des Wortes goutieren.

2 Kommentare zu “„Ich wollte schon immer 100 Prozent Bio“

  1. Danke für den spannenden Artikel und den Einblick in die Bio-Restaurant-Szene! Bin erstaunt, dass diese Nische sooo klein ist und frage mich, wie sich das ändern ließe. Und hungrig bin ich jetzt. :-)

    • Jens Brehl

      Die letzten Jahren waren für die Gastronomen nicht leicht. Gaaaanz böse gesprochen, spielt Bio in der Außer-Haus-Verpfleung (AHV) immer noch keine Rolle. In Mengen ausgedrückt schätze ich den Anteil von Bio-Lebensmitteln auf etwa zwei Prozent. Ändern lässt es sich, wenn mutige Bio-Gastronomen durch Zuspruch der Gäste unterstützt werden.

      Demnächst erscheint zu Bio in AHV ein weiterer Beitrag.

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