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Essbare Stadt Fulda: „Wir müssen Städte ökologischer gestalten“

Wer auf dem Land lebt, wähne um sich herum oft intakte Natur. Dabei sei die Artenvielfalt in Städten oft größer – dennoch gäbe es in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit noch viel zu tun, worauf Alexander Sust, Geschäftsführer des Umweltzentrums Fulda, hinwies. Dort fand vergangenes Wochenende ein zweitägiger Workshop statt, um die Vision der Essbaren Stadt Fulda anhand von Erfolgsbeispielen zu stärken und Mitstreiter*Innen zu gewinnen. Das Vorhaben: mit urbanen Gärten in der Innenstadt Lebensmittel produzieren, Orte der Begegnung schaffen und gleichzeitig die Barockstadt fit für den Klimawandel machen.

Die Vision ganz Fulda in eine Essbare Stadt zu verwandeln ist groß. „Wir haben mit einem kleinen Garten begonnen, dort gemeinsam Hoch- und Hügelbeete gebaut und dadurch als Gruppe zusammengefunden“, erzählte Nesrin Caglak, Mitgründerin der Urban Gardening Gruppe in Freiburg, die heute Teil der Transition Town Initiative ist. Deren Ziel: Städte resilienter zu machen, um sie auf die Folgen des Klimawandels, dem Ende der billigen fossilen Energien und mehr vorzubereiten. Bürgerinnen und Bürger gehen dabei ökologische Teilprobleme an, die bestenfalls Mosaiksteinen gleich Teile der großen Lösung sind. So liefern Gärten in der Stadt nicht nur Gemüse, sondern sind Orte der Begegnung und kühlen in Hitzesommern.

Prestigeprojekte“ bringen Aufmerksamkeit

Der kleine Garten in Freiburg hatte sich schnell als Keimzelle erwiesen, ab einem gewissen Punkt wandte sich die Gruppe an das Grünflächenamt, um weitere Standorte etablieren zu können. „Oft geht es dabei um Zwischennutzung für einen begrenzten Zeitraum. Belebte Plätze in den Innenstädten sind bestens geeignet, um Aufmerksamkeit zu generieren.“ So konnten die Stadtgärtner in Freiburg den Coup für sich verbuchen, im Zuge der Umgestaltung Grünflächen direkt am Stadttheater gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zu bepflanzen. „Die langfristige Pflege ist allerdings oft ein Problem“, meinte Caglak. Zudem müsse man über eine gewisse Frusttoleranz verfügen, wenn zum x-ten Mal Müll und Vanadlismusschäden zu beseitigen sind.

Ein weiterer Stolperstein für das gemeinsame Gärtnern sei die Gefahr, sich unverhältnismäßig über Details zu streiten: Nehmen wir das geschenkte Holz für den Bau der Hochbeete, obwohl es nicht mehr so gut ist, oder kaufen wir neues Material aus nachhaltiger Forstwirtschaft? „Dann hilft es, sich auf die gemeinsame Vision zu besinnen, schließlich verfolgen wir das gleiche Ziel.“

Als Leuchtturmprojekt brachte Caglak den Verein Essbare Stadt Kassel ins Spiel. Dessen Initiator Karsten Winnemuth hielt im Frühjahr einen Onlinevortrag für das Umweltzentrum Fulda, den man in voller Länge anschauen kann. Eins von Winnemuths Erfolgsrezepten: Er kann loslassen. An einem gewissen Punkt zieht sich der Verein zurück und übergibt Gärten Bürgerinnen und Bürgern, und damit oftmals direkten Anwohnern.

Allerdings läuft nicht immer alles nach Plan, wie Silva Hable anhand von Essbares Witzenhausen schildern konnte. „Wir waren wie ein Kürbis: Wir sind schnell gewachsen, haben uns ausgebreitet, sind aber irgendwann verwelkt – weil wir das Stärken der Gruppenvision vernachlässigt hatten.“ Alles ehrenamtlich zu stemmen sei schwierig, ab einer gewissen Projektgröße bräuchte es dazu mindestens eine Vollzeitstelle. Schließlich gilt es nicht nur Gruppenaktivitäten zu koordinieren, sondern auch die Zusammenarbeit mit kommunalen Verwaltungsstellen. Es sei kaum zu ermitteln, wie viel ökologisches Bewusstsein tatsächlich nachhaltig geschaffen werden konnte, aber: „Es lohnt sich immer, ein Projekt zu starten.“

Essbares Fulda

Bis Fulda zu einer Essbaren Stadt wird, ist es noch ein langer Weg. „Wichtig sind Menschen, mit einer klaren und gemeinsamen Vision – dann kann die Gruppe auch kleiner sein“, machte Hable Mut. Man solle mit kleinen, niederschwelligen Aktionen beginnen. So sollen in Fuldas Innenstadt mehrere Hochbeete aufgestellt werden, für die jeweils verschiedene Initiativen die Patenschaften übernehmen.

Darüber hinaus gehe es darum, sich mit bestehenden Projekte zu vernetzen, wie Karolin Sinning betont. Gemeinsam mit Lena Fockers koordiniert sie am Umweltzentrum das Projekt Essbare Stadt Fulda. So gibt es bereits Gartenprojekte der Arbeiterwohlfahrt, der Lebensmittelhändler tegut bietet in seinen Saisongärten Parzellen an und die Zeppelingärtner bewirtschaften in Gemeinschaft Flächen am Umweltzentrum und einen Teil des Pfarrgartens im Stadtteil Horas. Mit dem Bauerngarten bietet auch das Umweltzentrum selbst ein Mitmachprojekt. Für Sinning ist es besonders wichtig, dass durch das Gärtnern in der Stadt Begegnungsorte entstehen. Auch Fockers gibt sich zuversichtlich: „Den Workshop haben Menschen besucht, die noch nie am Umweltzentrum waren.“

Spätestens die Landesgartenschau 2023 bietet eine öffentlichkeitswirksame Bühne, um das Thema Essbare Stadt Fulda zu präsentieren. Das kristallisierte sich bereits bei einem Bürgerworkshop im Herbst 2017 heraus und könnte daher auf fruchtbaren Boden fallen.

Hinweis auf einen möglichen Interessenkonflikt

Im Text ist das Urban Gardening-Projekt „Zeppelingärten“ erwähnt, hier engagiere ich mich privat als Mitglied.

1 Kommentar zu “Essbare Stadt Fulda: „Wir müssen Städte ökologischer gestalten“

  1. Lieber Jens Brehl,
    vielen Dank für deine tolle, informative, unabhängige Berichterstattung über dieses wichtige Thema.

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