Weg von Hochleistungs-Hybriden und hin zu Zweinutzungshühnern: Die sollen laut den Anbauverbänden Bioland, Naturland, Demeter und Biokreis so bald wie möglich wieder flächendeckend in der ökologischen Landwirtschaft zum Einsatz kommen. Fabian Häde, einer von drei Geschäftsführern des Mustergeflügelhofs Leonhard Häde, würde lieber heute als morgen den Betrieb komplett umstellen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Dabei hatte sein Ur-Großvater bereits vor neunzig Jahren die Lösung.
Der Mustergeflügelhof Häde im hessischen Alheim-Heinebach bietet mit 15 Ställen Platz für 36.000 Legehennen. Mit Junghennenaufzucht und der Mast von Zweinutzungshähnen befinden sich durchschnittlich 50.000 Tiere auf dem Hof – immer in getrennten Gruppen von maximal 3.000. Bereits im Spätsommer 2017 zogen die ersten 2.000 männlichen und 2.000 weiblichen Zweinutzungstiere der Rassen Coffee und Cream von der gemeinnützigen Ökologischen Tierzucht ein. Der Anteil an Zweinutzungstieren beträgt heute ein Sechstel und im Gespräch mit Fabian Häde wird schnell deutlich, dass ihm das zu wenig ist und der komplette Umstieg in seinen Augen zu lange dauert. „Am liebsten würde ich nur noch Zweinutzungshühner halten. Man darf an das Thema allerdings nicht zu ideologisch und blauäugig herangehen.“
Lieber den zweiten Schritt vor den ersten: Zweinutzungshuhn statt Bruderhahn
Häde hat neben Betriebswirtschaftslehre auch Öko-Agrarmanagement studiert. Bei letzterem widmete er sich in seiner Masterarbeit der Wirtschaftlichkeit von Zweinutzungsrassen und zog zum Vergleich die Aufzucht von Bruderhähnen der Hybrid-Rassen heran. Seine Erkenntnis: Wenn schon der Bruder aufgezogen werden soll, dann aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht der von Zweinutzungsrassen. Die männlichen Tiere der auf hohe Eierlegeleistung gezüchteten Hybride setzen zu wenig Fleisch an und verbrauchen dafür zu viel Futter. Anbauverbände und Bio-Branche sind sich in weiten Teilen einig, dass die Aufzucht von Bruderhähnen kein dauerhaft tragfähiges Konzept ist und als Endziel das Zweinutzungshuhn steht. „Außer das Kükentöten zu beenden, spricht nichts für die Aufzucht der Bruderhähne von Lege-Hybriden“, kritisiert Häde. Doch da sie bis auf Biopark bei allen Bio-Anbauverbänden verpflichtend ist, geht er mit seinem nach Naturland-Richtlinien zertifizierten Betrieb den Zwischenschritt mit.
Die Bruderhähne der Lege-Hybride wachsen derzeit noch auf einem Partnerbetrieb auf, demnächst soll die Mast auf dem eigenen Hof stattfinden. Häde ist sich sicher: Sobald den meisten Konsumentinnen und Konsumenten klar sei, dass die Aufzucht von Bruderhähnen nahezu in der gesamten ökologischen Landwirtschaft Pflicht ist, werden sie vermehrt fragen, wo und unter welchen Bedingungen die Tiere aufwachsen – und dabei eventuell die eine oder andere Überraschung erleben. So dürfen beispielsweise Bioland-Mitglieder die Bruderhähne in die konventionelle Mast abgeben, was allerdings nach Angaben des Verbands nicht die Regel sei. Häde möchte eine einfache und transparente Antwort geben: „Hier bei uns.“ Die unwirtschaftliche Mast finanziert die Lege-Hybride mit einem Aufschlag auf den Eierpreis. Laut Häde sollte das System allerdings nicht auf Zweinutzungshühner übertragen werden.
„Die Quersubventionierung sollte bei einem Zweinutzungshuhn nicht das Ziel sein. Henne und Hahn müssen sich selbst tragen, damit beide wirtschaftlich voneinander unabhängig sind.“ Häde verzieht leicht das Gesicht, als er nach den bisher vier Durchgängen mit Zweinutzungstieren ein Fazit zieht: „Das wird zukünftig wohl nicht ganz funktionieren. Wir müssen die Eierpreise etwas anheben, um das Fleisch günstiger anbieten zu können.“ Schließlich muss der Zweinutzungshahn nicht nur mit dem quersubventionierten Bruderhahn konkurrieren, sondern auch mit den schnell wachsenden Hochleistungs-Mast-Hybriden, die auch in der ökologischen Landwirtschaft zum Einsatz kommen.
Zudem ist die Nachfrage nach Eiern höher, als nach Fleisch. Notgedrungen setzt Häde daher auch auf Lege-Hybride. Sie produzieren bis zu 290 Eier im Jahr, die Zweinutzungshühner der Rassen Coffee und Cream kommen auf etwa 220. Aus heutiger Sicht besonders bitter: Ur-Großvater Leonhard Häde verfügte bereits in den 1930er-Jahren über Gebrauchskreuzungen, bei denen einzelne Tiere bereits bis zu 294 Eier im Jahr legten. Konsequent nach Tiergesundheit und eine ausgewogene Eier- und Mastleistung weiter selektiert, stünden für die ökologische Landwirtschaft schon seit Jahrzehnten wirtschaftlich tragfähige Zweinutzungstiere bereit. Aber: „Als die Hybrid-Zucht aufkam, ging das alles schlagartig verloren und unsere Tiere waren nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Der Betrieb stand vor dem Aus. Als Horst Heirler Bio-Eier für die Reformhäuser suchte, war 1975 der Umstieg auf Bio der Rettungsanker.
Zurück zum Anfang
Noch trägt sich das Projekt Zweinutzungshuhn auf dem Mustergeflügelhof Häde wirtschaftlich nicht. „Wenn Bio eine Nische ist, ist das Zweinutzungshuhn die Nische von der Nische“, sagt Häde lachend. Für ihn schließt sich allerdings ein Kreis, denn im gewissen Sinne heißt es mit den Zweinutzungsrassen für seinen Betrieb zurück zum Ursprung. Und auch im klassischen Lebensmitteleinzelhandel sind Erfolge zu verbuchen: Rewe, Edeka und tegut beziehen bereits Eier von den Zweinutzungshühnern.
Eine weitere Kooperation entsteht derzeit mit der Verbraucher-Initiative „Du bist der Chef!“, die unter dieser Marke nach ihren Wünschen Lebensmittel produzieren lässt und in den Handel bringt. Nachdem die Initiative bereits erfolgreich eine faire Bio-Milch lanciert hat, sollen Ende September Eier vom Mustergeflügelhof Häde folgen. Über die Produktionskriterien hatten 15.338 Menschen abgestimmt: Bio, Freilandhaltung, Auslaufflächen mit Bäumen und Sträuchern (Hühner und Hähne mögen keine weiten, offenen Flächen), ökologisches und regionales Futter, faire Vergütung für die Landwirte, ökologische Aufzucht der männlichen Küken und Zweinutzungshuhn.
Derzeit sucht die Initiative nach einem Handelspartner, der aufgrund der anfänglich überschaubaren Menge die Eier zunächst exklusiv im Sortiment haben wird. Als nächster Lieferant steht bereits die Biohennen AG aus dem bayerischen Vohburg in den Startlöchern. Von dem empfohlenen Eierpreis in Höhe von 63 Cent würden garantiert 38 Cent direkt an die Landwirtinnen und Landwirte fließen. „Handel und Konsumenten bestimmen, was sich durchsetzt. Das Fleisch gewinnbringend zu vermarkten, ist dabei die größte Herausforderung“, erklärt Häde. Daher gilt es gemeinsam mit der Initiative als zweiten Schritt faire Vermarktungsmöglichkeiten für das Fleisch auszuloten, denn die Nachfrage nach Eier und Fleisch soll in Balance gebracht werden. „Wir haben als Verbraucher einfach Lust auf Transparenz, gute Produkte, faire Preise und möchten mutige Betriebe unterstützen“, erklärt Nicolas Barthelmé, erster Vorsitzender der Initiative, die Motivation.
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