Bio? Logisch!

Ehrlich sein und hornlose Kühe zeigen

Heinfried Emden ist das Gesicht der Alnatura-Milchprodukte, welche die Upländer Bauernmolkerei liefert. Sympathisch lächelt er in die Kamera, neben ihm steht eine Kuh mit Hörnern. Auch das Logo der Molkerei zeigt eine behornte Kuh, dabei stammt ein großer Teil der Milch von hornlosen Tieren. Ist es an der Zeit für mehr Ehrlichkeit auf Verpackungen?

Landwirt Heinfried Emden nebst Kuh mit Hörnern ist das Gesicht der Alnatura-Milchprodukte, welche die Upländer Bauernmolkerei liefert.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Tatsächlich tragen nach eigenen Angaben lediglich etwa 15 Prozent der 90 Milchkühe auf dem Hof von Landwirt Emden Hörner, denn er züchtet genetisch hornlose Tiere. Kommt ein Kalb mit Hornansatz zur Welt, dürfen die Hörner allerdings wachsen.

Emden ist einer von nach eigenen Angaben derzeit 110 Lieferanten der Upländer Bauernmolkerei. Wie viele von ihnen horntragende oder hornlose Kühe halten, wollte die Molkerei nicht beantworten. Eine derartige Aufstellung existiere nicht. „Da die genetisch hornlose Zucht auch bei unseren Lieferanten teilweise Einzug hält, sind diese Aussagen, die wir jetzt treffen würden, ja auch nur kurzfristig aktuell“, schrieb Henrike Habermann-Diez. Maßgeblich sei, dass sich die Landwirte an die Richtlinien von Bioland halten. Das Enthornen von Kälbern ist hier nur mit Ausnahmegenehmigung möglich, hornlose Zucht ist erlaubt. Seitens des Verbands gibt es offiziell keine Präferenz pro oder contra Horn.

Tendenz: Milchkühe ohne Hörner

Nach Recherchen von „über bio“ bei 51 Lieferanten halten derzeit lediglich 13 von ihnen ausschließlich horntragende Rinder. Einer möchte dies ändern und setzt dafür künftig auf hornlose Zucht. Allgemeine Tendenz: Ein Großteil der befragten Landwirte setzt auf hornlose Zucht und wünscht sich künftig nur noch Rinder ohne Hörner auf dem eigenen Hof (siehe Grafik).

„Ich finde es aus verschiedenen Gründen besser, wenn Kühe Hörner haben. Trotzdem kann ich es nachvollziehen, dass man in der Praxis auf die Hörner verzichten möchte“, erklärt Karin Artzt-Steinbrink, Geschäftsführerin der Upländer Bauernmolkerei. Man überlasse es den Landwirten, ob sie horntragende oder hornlose Tiere halten. „Wir mischen uns nicht direkt ein, sondern diskutieren darüber im Vorstand und auf Mitgliederversammlungen.“ Persönlich lägen ihr alte Rinderrassen und die Artenvielfalt am Herzen. „Hoffentlich werden auch künftig horntragende Rinder gezüchtet.“

Für die Bauernmolkerei haben Themen wie das wirtschaftliche Überleben der Landwirte, weiterhin faire Milchpreise zahlen zu können und der Umweltschutz deutlich höhere Prioritäten. Auch Kunden würden nur selten nachfragen, ob die Kühe Hörner tragen. Vielleicht gehen Sie aufgrund der Bilder auf Verpackungen und des Logos auch einfach davon aus – oder es ist ihnen schlicht egal.

Doch wie passen die Bilder auf Verpackungen von Milchprodukten wie bei denen von Alnatura mit der Realität der Lieferanten zusammen? „Landwirt Emden hält auch Kühe mit Hörnern, sonst hätten wir das so nicht dargestellt“, sagt Artzt-Steinbrink. Ein Foto einer Kuh ohne Hörner bilde die Realität auch nicht ab. Immerhin: Fotos auf der Internetseite der Molkerei zeigen Tiere mit und ohne Hörner.

Gründe für hornlose Kühe: Unfallgefahr und hohe Investitionen

In zahlreichen Gesprächen brachten die Lieferanten der Bauernmolkerei mehrere Argumente für das Halten von hornlosen Tieren an. So gab es Unfälle, bei denen sich die Tiere durch die Hörner schwer verletzten – obwohl nach eigenen Angaben niederrangige Artgenossinnen im Stall genügend Platz zum Ausweichen haben. Auch Landwirte trugen teils schwere Blessuren davon. Einige gaben an, eine hornlose Herde sei deutlich ruhiger und ausgeglichener. Zudem sind für moderne Stallanlagen mit noch mehr Platz für die Tiere große Investitionen nötig.

Tatsächlich wünschen sich Konsumenten die perfekte landwirtschaftliche Idylle inklusive gemütlich auf der Weide grasender Kühe mit Hörnern. Allerdings sind sie in den seltensten Fällen täglich in der Praxis damit konfrontiert oder möchten mitunter die Mehrarbeit der Landwirte nur ungern durch einen höheren Milchpreis honorieren. Vielerorts gilt Milch als billiges Massenprodukt anstatt als wertvolles Lebensmittel.

Auf der anderen Seite gibt es auch bei den Lieferanten der Bauernmolkerei glühende Verfechter horntragender Kühe, für die die damit verbundene höhere Unfallgefahr weniger gravierend ist. Die angebrachten Argumente pro und contra Hörner bilden in etwa einen Querschnitt der derzeitigen Diskussion, die die ökologische Landwirtschaft noch eine Weile beschäftigen wird.

8 Kommentare zu “Ehrlich sein und hornlose Kühe zeigen

  1. Ulrich Mück

    Für die Erhaltung horntragender Kühe und die Unterstützung ihrer Halter, braucht es Produktehrlichkeit. Ich finde Ihren Artikel sehr gut!
    Beispiele von Produkten, Molkereien mit insofern unlauterer Werbung mit Hornkühen gibt es leider zuhauf – auch im Biobereich. Mehr als 90% der Kühe in Deutschland sind enthornt oder hornlos gezüchtet.
    Die Haltung horntragender Kühe bedarf größerer Aufmerksamkeit und Zeit für die Tiere und mehr Platz im Stall. Wirtschaftlich betrachtet sind das Kostenfaktoren für die Bauern die horntragende Kühe halten.
    Dort wo Hornkühe drauf sind, muss auch Hornkuh drin sein – und diese Produkte dürfen berechtigterweise einen höheren Preis haben.
    Es gibt viele Argumente für Hornkühe: Sie sind auf http://hornkuh.de/ zu finden.

  2. Alex Reiserer

    Wo Hornkühe drauf sind, müssen auch Hornkuh-Lebensmittel drin sein! Alles andere hat mit glaubwürdigen Öko-Produkten nichts zu tun

  3. Wilfried Kamolz

    Es ist natürlich nur schwer klar zu machen, dass die Hörner der Kuh nicht nur Schmuck oder Verteidigungswaffen sind, sondern starken Einfluss auf die Lebensqualität des Tieres und damit auf die Qualität der Milch haben. Die Hörner gehören einfach zur Kuh und ihrem ganzen Wesen.
    Danke für den Artikel!

  4. Brigitte

    Super recherchiert, super informiert, super aufgemacht – Journalismus sollte immer so sein! – Danke!

    • Jens Brehl

      Danke für die Blumen!

      Je mehr Leser meinen Blog (auch finanziell) unterstützen, umso aufwendiger kann ich recherchieren. Auch dieses Thema möchte ich noch gerne weiter verfolgen.

  5. mariana Mampaey

    Herzlichen Dank für die Recherche. Eindeutig gehören Hörner nicht nur auf die Kühe sondern auch auf andere Nutz- und Haustiere wie zu den Geissen, Büffeln, Schafen…
    Die Achtung vor den Arten ist wohl von uns allen gewünscht, aber der Wunsch geht in der Masse der Informationen die wir täglich zu verarbeiten haben, unter.
    Die Mode der hornlosen Rindern, die sich unter den Landwirten ausbreitet ist wohl nichts anderes, eine unbewusste Trendzugehörigkeit und ein Machen von allem was möglich ist, ohne sich richtig die Folgen klarzumachen.

  6. Danke für die sicherlich verdammt aufwendige Recherche. Finde es sehr gut, dass Du die Kritik nicht nur an einem Einzelfall festmachst, sondern auch belastbare Zahlen recherchiert hast. Das machen selbst vielköpfige Redaktionsteams zu selten, finde ich.

    Ein richtig spannendes Thema, denn es zeigt erstaunlich viele Facetten der Tierhaltung auf. Bin gespannt, ob sich das Unternehmen oder andere Betroffene mal dazu äußern. Ich vermute allerdings ganz stark, dass das Interesse an mehr Transparenz auf Seiten der Anbieter eher gering ist. Umso wichtiger, dass es die Verbraucher einfordern – und sich wesentlich mehr damit auseinandersetzen, wo Ihre Lebensmittel eigentlich herkommen!

    • Jens Brehl

      Die Recherche hat mich tatsächlich insgesamt ein paar Wochen beschäftigt. Zudem hatte ich nicht überall das Gefühl, mit meinen genauen Nachfragen willkommen zu sein – um es einmal so zu formulieren.

      Ich denke, vielen Verbrauchern ist das Thema gar nicht bewusst und deswegen fragen sie seltener nach, ob die Milchkühe Hörner haben oder nicht. Mit an erster Stelle ist es vielen wichtig, womit Kühe gefüttert werden und das dabei auf gentechnisch verändertes Futtermittel verzichtet wird.

      Auf jeden Fall bin ich gespannt, wohin mich das Thema noch führt. Bei meinen Recherchen habe ich noch viele weitere Facetten kennengelernt, die ich gerne noch vertiefen möchte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert