Bio? Logisch!

Ökologischer Impulsgeber zur richtigen Zeit: 25 Jahre Zukunftsstiftung Landwirtschaft

Die Folgen des Klimawandels stemmen, Artenvielfalt und fruchtbare Böden erhalten, Saatgut und Nutztieren züchten, die zum ökologischen Landbau passen und mehr sind gewaltige Herausforderungen. In den 25 Jahren ihres Bestehens hat die Zukunftsstiftung Landwirtschaft in diesen und weiteren Bereichen nahezu 1.500 Vorhaben gefördert. Höchste Zeit, um über die Anfänge, die größten Erfolge, aber auch offene Baustellen der ökologischen Landwirtschaft mit Geschäftsführer Oliver Willing zu sprechen.

Oliver Willing, Geschäftsführer Zukunftsstiftung Landwirtschaft, auf dem Podium.
Erster Vollzeitmitarbeiter und seit 2007 Geschäftsführer der Zukunftsstiftung Landwirtschaft: Oliver Willing.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Aus welchem Impuls heraus wurde die Zukunftsstiftung Landwirtschaft gegründet?

Wir sind Teil der GLS Treuhand, welche 1961 ins Leben gerufen wurde. Gründungsmitglieder waren unter anderem der Rechtsanwalt Wilhelm Ernst Barkhoff und Albert Fink, welcher ein großes metallverarbeitendes Unternehmen führte. Beide waren auch im anthroposophischen Umfeld tätig. Vereinfacht gesagt einte alle Gründerinnen und Gründer die Vision, dass Unternehmen auch eine soziale Pflicht gegenüber der Gesellschaft haben und aus den Gewinnen etwas Heilsames für die Gemeinschaft hervorgehen muss.

Die ökologische Landwirtschaft spielte bei der GLS Treuhand von Beginn an eine große Rolle, sorgt sie doch für fruchtbare Böden, sauberes Wasser und hat daher auch gemeinnützige Aspekte. Als die Grüne Gentechnik am Horizont auftauchte, rief man 1996 auf Initiative von Albert Fink und Dirk Lücke den Saatgutfonds ins Leben, um biologisch-dynamischen Züchtern wie Peter Kunz und Dr. Hartmut Spieß finanziellen Wind unter den Flügeln zu verschaffen. Ausgestattet mit 70.000 DM von der Treuhand und 70.000 DM eines privaten Spenders nahm der Saatgutfonds seine Arbeit als Spendensammelfonds auf, dessen Summe seitdem jährlich an Züchterinnen und Züchtern ausgeschüttet wird und inzwischen jährlich zwei Millionen Euro an Fördergeld zur Verfügung stellt.

Um schließlich das Engagement noch sichtbarer zu machen und die Themenfelder der GLS Treuhand zu bündeln, wurden im Jahr 2000 die Zukunftsstiftungen gegründet: Bildung, Gesundheit, Mensch und Gesellschaft, Entwicklung – und eben am 4. Mai auf dem Dottenfelderhof die Zukunftsstiftung Landwirtschaft.

Was sind die herausragendsten Erfolge der Zukunftsstiftung Landwirtschaft in den 25 Jahren ihres Bestehens?

Manche kennen uns nur als „Saatgut-Stiftung“, da die Ökozüchtung unser größter Förderbereich ist, aber das wird unserer thematischen Vielfalt nicht gerecht. Oftmals waren wir zudem Impulsgeber im richtigen Moment.

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Beispielsweise als sich die Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (AGÖL) aufgelöst hatte, kam nach einiger Zeit aus der Politik – namentlich von der damaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast – der Wunsch, die Bio-Branche möge doch einen Dachverband als Ansprechpartner etablieren. Felix zu Löwenstein ergriff die Initiative, etwas Neues aufzubauen und dieses Mal auch verstärkt die ökologischen Verarbeiter und Händler einzubinden. Die ersten 2.000 Euro zur Erstellung des Grundkonzept kamen von uns. Entstanden ist daraus der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).

Auch als Mathias von Mirbach vom Kattendorfer Hof mit weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft als Dachverband der Solawi-Bewegung gegründet hat, haben wir die ersten Schritte gefördert.

Ähnlich verhielt es sich auch bei Christian Hiß, der die ökologischen und sozialen Leistungen der Bio-Betriebe für die Gesellschaft in konkreten Zahlen sichtbar machen wollte. Damit er sich einige Zeit freistellen lassen konnte, um sein Regionalwert-Konzept zu entwickeln, haben wir ihn mit 4.000 Euro ausgestattet.

Das sind überschaubare Summen.

Ja, das stimmt – aber gerade für die ersten Schritte braucht es oft nicht so hohe Beträge. Aber das Vertrauen in die Akteure ist wichtig. Oftmals sind wir auch Türöffner für weitere Stiftungen, die dann ebenfalls die Projekte fördern und über mehr finanzielle Mittel als wir verfügen.

Deutlich kostspieliger ist die ökologische Pflanzenzucht. Welche Projekte würden Sie besonders hervorheben?

Wir haben kein angelegtes Vermögen, aus dessen Erträgen wir unser Engagement finanzieren, sondern müssen kontinuierlich Spenden einwerben. Sehr stolz bin ich, dass wir es geschafft haben mit den Projekten mitzuwachsen und das Grundfundament des finanziellen Bedarfs für die Ökozüchtung absichern zu können. Die ersten Züchterinnen und Züchter haben oftmals salopp formuliert alleine vor sich hin gearbeitet, heute sind beispielsweise bei der „Forschung und Züchtung Dottenfelderhof“ zwölf Menschen angestellt.

Ein einzelnes Projekt möchte ich aber nicht herausstellen. Eine schmackhafte Möhre ist ebenso wichtig wie ein gut backfähiger Weizen mit hohem Ertrag, der gegen Stinkbrand resistent ist.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen?

(überlegt einen Moment) Es sind mehrere, leider – daher beschränke ich mich auf drei. Auf EU-Ebene wird die Deregulierung der Gentechnik vorangetrieben und wir versuchen alles, damit gentechnisch veränderte Lebensmittel auch weiterhin verpflichtend als solche gekennzeichnet werden müssen. Die Gentechnikfreiheit im ökologischen Landbau ist gefährdet. Allerdings muss man zugeben, dass derzeit in der EU die Befürworter scheinbar die politische Oberhand haben.

Kinder und Jugendliche werden immer mehr in die Digitalisierung hineingezogen und gleichzeitig geht tendenziell das direkte Erleben von Landwirtschaft, von elementaren Sinneserfahrungen verloren. Deswegen liegen mir die Schulbauernhöfe so sehr am Herz. Jedem Kind oder Jugendlichen wünsche ich sein Schulbauernhoferlebnis – nicht nur an einem Nachmittag, sondern gerne auch bis zu drei Wochen.

Darüber hinaus droht der ökologische Landbau in die gleichen Problematiken zu kommen, wie der konventionelle vor 30 Jahren. Höfe spezialisieren sich so stark, dass sie sich von dem Leitgedanken der Vielfalt entfernen. Die braucht es aber, wenn man Höfe als Organismus denkt und Stoffkreisläufe möglichst schließen möchte. Mir wird Angst und Bange um den Öko-Landbau, wenn aus wirtschaftlichem Druck auf eine nur noch viergliedrige Fruchtfolge verkürzt wird, weil man sich es sich nicht leisten kann, zwei Jahre Sonderkulturen zu berücksichtigen. Kurz gesagt unterminiert die Ökonomie die ökologischen Prinzipien.

Der wirtschaftliche Druck motiviert wahrscheinlich keine konventionellen Betriebe auf Bio umzustellen.

Die Importe von Bio-Lebensmitteln steigen und unser Potenzial wird in Deutschland zu wenig ausgeschöpft. Bisher werden erst 11,4 Prozent der Agrarflächen ökologisch bewirtschaftet. Für jemanden wie mich, der sich bereits seit 40 Jahren für Bio einsetzt, ist das eher frustrierend.

Hybridsaatgut oder doch lieber samenfest?

Oliver Willing, Geschäftsführer Zukunftsstiftung Landwirtschaft, vor einem Gewächshaus auf dem Dottenfelderhof.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Ein großer Fokus der Zukunftsstiftung Landwirtschaft liegt auf der Zucht samenfester Öko-Sorten. Welche Vorteile bringen diese den Landwirtinnen und Landwirten überhaupt?

Hybridsaatgut kann nur einmal angebaut werden, so dass jedes Jahr neues gekauft werden muss. Samenfest hingegen bedeutet, dass nachgebaut werden kann, so dass sich die Sorten an die jeweiligen Standorte anpassen können.

Hybride sind gleichförmig, auch genetisch, aber mit Hinblick auf die Folgen des Klimawandels ist Vielfalt eine Stärke. Das zeigt sich beispielsweise bei Populationssorten, bei denen Unterschiede gewünscht sind. Ein Teil dieser neuen Populationssorten verkraftet beispielsweise lange Trockenheit, einem anderen setzt anhaltende Nässe weniger zu. Natürlich habe ich in beiden Fällen einen Minderertrag, aber keinen Totalausfall mehr.

Demeter verbietet mit Ausnahme von Mais Hybridsaatgut beim Getreide, allerdings nicht beim Gemüse. Laut den Richtlinien von Naturland und Biokreis sollen im landwirtschaftlichen Bereich landesübliche Sorten gegenüber Hybriden vorgezogen werden. Daraus folgt keine Pflicht auf Hybride zu verzichten. Das lässt unter anderem darauf schließen, dass bei Mais und Gemüse noch nicht genügend samenfeste Sorten verfügbar sind, die sich für den Erwerbsanbau eignen. Zudem schätzen Bio-Fachhandel und konventioneller Lebensmittelhandel möglichst gleichförmiges Gemüse. Landwirte und Landwirtinnen freuen sich über ein möglichst enges Erntezeitfenster – all das liefert Hybridsaatgut. Welche züchterischen Lücken gilt es daher noch zu schließen?

Wichtig sind hier die Unterschiede zwischen Getreide und Gemüse. Beim Getreideanbau, auch bei den konventionellen Kolleginnen und Kollegen, ist es durchaus üblich, nachbaufähiges Saatgut einzusetzen. Die ökologisch gezüchteten Sorten können hier insgesamt beim Ertrag mithalten, mitunter liegt er sogar höher. Und die Öko-Sorten bringen zusätzlich oft eine Widerstandsfähigkeit gegen bestimmte Krankheiten mit.

Etwas differenzierter sieht es beim Gemüse aus, hier dominieren in der konventionellen wie in der ökologischen Landwirtschaft Hybride. Zudem ist es eher unüblich, dass Landwirtinnen und Landwirte Gemüsesaatgut selbst vermehren. Der samenfeste Kopfkohl kann durchaus beim Ertrag mithalten, auch manchen Sorten der Rote Bete. Bei anderen Kulturen kann es wiederum Mindererträge geben, die wir nicht aufholen können; bei Möhren beispielsweise – je nach Standort – von bis zu einem Viertel. Dafür ist aber der Geschmack deutlich besser und meist auch die Nährstoffkonzentration. Dies führt aber zu keiner höheren Bezahlung. Daher ist der Ertrag weiterhin wirtschaftlich entscheidend. Und so flammt immer wieder die Diskussion auf, ob nicht auch eine ökologische Hybridzucht ein Weg wäre, um den Ertragsnachteil auszugleichen.

Oft kommen in der konventionellen Landwirtschaft umgangssprachlich ausgedrückt „Hochleitungsrassen“ zum Einsatz: Kühe, die extrem viel Milch geben, Hühner, die etwa 320 Eier pro Jahr legen und Mastgeflügel, welches bereits nach vier Wochen schlachtreif ist. Das ist im gewissen Sinne effizient, geht aber oft zu Lasten der Tiergesundheit. Nun ist die ökologische Landwirtschaft von der größtenteils konventionellen Zucht abhängig. Mit dem Tierzuchtfonds – eine gemeinsame Initiative mit dem Deutschen Tierschutzbund und der Schweisfurth Stiftung – wollen Sie dies ändern. Wo stehen wir an diesem Punkt?

In der ökologischen Landwirtschaft wird die 10.000-Liter-Kuh nicht satt, außer ich stopfe sie mit Getreide voll – was aber nicht artgerecht ist. Diese „Hochleistungsrassen“ passen also nicht. Daher braucht es eine Zucht von Tieren, die sehr gut mit dem Grundfutter Gras auskommen können und dann eben „nur“ 7.000 Liter Milch pro Jahr liefern. Diesem Themenfeld widmet sich beispielsweise Dr. Carsten Scheper, Geschäftsführer der gemeinnützigen Ökologischen Tierzucht (ÖTZ).

Dort ist auch Inga Günther-Bender als Geschäftsführerin tätig, der wir maßgeblich die Zucht von Zweinutzungshühnern verdanken, die wieder eine ausgeglichene Balance zwischen Eierlegeleistung und Fleischansatz aufweisen. Auch das männliche Tier eignet sich für die Mast, anders als der Bruderhahn der Hybrid-Legehennen. Landwirtin Christine Bremer treibt zudem auf ihrem Hof Heide-Geflügel die Putenzucht voran.

Bei Mastschweinen scheint aus ökologischer Sicht kein besonderer Zuchtbedarf zu bestehen, jedenfalls wurden bislang noch keine entsprechenden Projekte an uns herangetragen.

Der Zukunftsstiftung Landwirtschaft bleiben Sie noch eine Weile verbunden, welche Ziele möchten Sie bis zu ihrem Ruhestand erreichen?

Natürlich wünsche ich mir, dass das Bewusstsein für den ökologischen Landbau in der Gesellschaft noch weiter steigt. Denn damit haben wir einen entscheidenden Hebel, um die großen Herausforderungen wie Biodiversität, sauberes Wasser, Klimawandel, Bodenfruchtbarkeit, Ernährungssouveränität ins Positive zu drehen. Genial wäre zudem, wenn der Lehrplan an allen Schulen ein zwei- bis dreiwöchiges Praktikum auf dem Bauernhof oder in der Gärtnerei vorsieht, so dass Schülerinnen und Schüler Landwirtschaft und die „Entstehung“ von Lebensmitteln mit allen Sinnen authentisch erleben können.

beenhere

Die Zukunftsstiftung Landwirtschaft

wurde am 4. Mai 2000 auf dem Dottenfelderhof unter anderem von GLS Treuhand, GLS Bank, Schweisfurth-Stiftung und Stiftung Ökologie & Landbau gegründet. Seitdem sind insgesamt 30 Millionen Euro in fast 1.500 Projekte geflossen. Davon 23 Millionen durch den Saatgutfonds, 5 Millionen für wissenschaftliche Forschung, gemeinnützige Höfe, Netzwerkarbeit, 1,35 Millionen Euro durch den Bildungsfonds Landwirtschaft (Schulbauernhöfe, biologisch-dynamische Ausbildung), durch den Tierzuchtfonds sind es etwa 500.000 Euro. Für die Gentechnikfreiheit des Saatgutes und des ökologischen Landbaus sowie die damit verbundene Netzwerkarbeit wurde 2002 das Berliner Büro Save Our Seeds gegründet, welches über alle Jahre betrachtet etwa 7,7 Millionen Euro zur Verfügung hatte.