Bio? Logisch!

Ohne vielfältiges Bodenleben kein Aufbau von Humus – Lösung Regenerative Landwirtschaft

Wenn bereits mittags zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte einen Vortrag besuchen, muss das Thema entsprechend brisant sein – schließlich macht sich die Arbeit auf dem heimischen Hof nicht von alleine. Agrar-Ingenieur Dietmar Näser behandelte die alles entscheidende Frage: Wie gelingt der Aufbau von Humus, um nicht nur fruchtbare Böden zu erhalten, sondern die Bodenqualität zu verbessern? Sein Rezept ist die Regenerative Landwirtschaft, in deren Fokus die Artenvielfalt der Bodenlebewesen steht.

Bäcker, Winzer, Käser und Mälzer ist vollkommen klar, dass sie in ihrer Arbeit täglich auf mikrobielle Prozesse angewiesen sind und sie diese daher nach Kräften fördern. Nur in der Landwirtschaft herrsche eine entsprechende Wissenslücke. „Wenn wir Humus haben wollen, brauchen wir mikrobielles Bodenleben, das ist der einzige Weg. Wir haben seit über 100 Jahren in der Landwirtschaft nichts von Mikrobiologie gehört“, sagte Näser.

Schon längst ist die Klimakrise auf deutschen Äckern angekommen und die Kulturen müssen viele Stressfaktoren wie längere Dürrezeiten, hoher Schädlingsdruck und dergleichen möglichst gut überstehen – in der ökologischen Landwirtschaft ohne chemische Hilfsmittel. Der Schlüssel ist gesunder Boden. „Ich wundere mich, warum der Mensch in der Stadt so wenig Existenzängste hat, weil er absolut davon abhängig ist, dass hier etwas wächst“, sagt Demeter-Landwirt Achim Heitmann im Dokumentarfilm „Unser Boden, unser Erbe“ während er auf seinen Acker deutet. Somit ist auch das Rahmenfeld von Näsers Vortrag abgesteckt, denn dem Agrar-Ingenieur geht es nicht um Maximalerträge auf Teufel komm raus, sondern vielmehr um eine zukunftsfähige und resiliente Landwirtschaft.

Wir müssen Pflanzen und Bodenleben als eine Stoffwechsel-Einheit betrachten.“

Wer an Bodenlebewesen denkt, dem fällt meist zuerst der Regenwurm ein. An Bakterien, Fadenwürmer (Nematoden), Amöben, Milben, Algen und Pflanzenwurzeln kommt man wenn überhaupt erst im zweiten Gedankengang. Dabei ist genau diese Artenvielfalt entscheidend. „Wenn wir Regenwürmer vermissen, müssen wir für bewachsene Felder sorgen.“ Dann gibt es nämlich genug Bakterien im Boden, von denen sich Amöben ernähren, die wiederum Ernährungsgrundlage für Regenwürmer bilden. „So ist das Bodennahrungsnetz zu verstehen“, erklärte Näser und führte weiter aus: „Mikroben an den Wurzeln sind keine Schmarotzer, die nur wegfressen, was die Pflanze beim Wachsen übrig lässt, sondern sie vergrößern die Wurzeloberfläche. Ohne möglichst große Wurzeloberfläche käme die Pflanze nicht an genügend Wasser und Nährstoffe ran. Wir müssen Pflanzen und das Bodenleben als eine Stoffwechsel-Einheit betrachten.“ Landwirte müssen lernen dem Boden „zu lesen“. Lebendigen Boden erkennt man an der Farbe, Krümelstruktur und Geruch. Daher müssten Spaten und Bodensonde zu ständigen Begleitern werden.

Bild: Jens Brehl CC BY-NC-SA 4.0

Besonders entscheidend sei das Gleichgewicht im Boden. „Wir haben erst Probleme mit Schadnematoden, wenn es an den Raubnematoden fehlt, weil wir zu wenig Vielfalt haben.“ Daher gelte es solche Probleme ganzheitlich zu betrachten und nicht wie vielerorts in solchen Fällen üblich, den Boden mittels Dampf zu sterilisieren. Dabei sterben auch andere wertvolle Bodenlebewesen. Anstatt also die Schadnematoden abzutöten, gelte es dafür zu sorgen, dass sich noch mehr Nematoden im Boden wohl fühlen. Sind Population und Artenvielfalt groß genug, treten regulatorische Effekte wie die erwähnten Raubnematoden auf, die ihre wurzelfressenden Artgenossen in Schach halten. „Die Natur ist immer auf Ausgleich aus.“ Von nichts weniger als einem Paradigmenwechsel sprach Näser.

So gelingt Regenerative Landwirtschaft

Zunächst müssten sich Landwirte über die einzelnen Nährstoffe und vor allem über die Nährstoffverhältnisse im Boden mittels analysierten Proben Klarheit verschaffen. „Wichtiger als die reinen Gehalte sind die Nährstoffverhältnisse. Sind diese nicht in Balance gibt es Vertrocknungseffekte, was eine schlechte Düngeeffizienz bedeutet.“ Die Nährstoffverhältnisse prägen die physikalischen Bodeneigenschaften und damit das Habitat für sämtliches Bodenleben. Daher gelte es zudem Unterbodenverdichtungen mechanisch zu lockern, die auch durch das Befahren mit tonnenschweren Arbeitsmaschinen entstehen.

„Von der möglichst dauerhaften Begrünung hängt ab, ob die Bodenmikroben arbeiten und sich daher Humus bilden kann“, sagte Näser eindringlich. Daher sollten Äcker stets mit vielfältiger Untersaat und Zwischenfrüchten bewachsen sein. Gesäte Gründüngung muss auch als Futter für die Bodenmikroben verfügbar gemacht werden – in der Regenerativen Landwirtschaft nennt man es „zur Flächenrotte einschälen“. Die oft vernachlässigte Fotosynthese der Pflanzen kann im wahrsten Sinne des Wortes eine Menge Energie für alles Bodenleben und auch für die Ernte freisetzen. Durch beispielsweise von Frost, Hitze, Dürre und dergleichen ausgelöstem abiotischen Stress sinken die Leistungen bei der Fotosynthese. Wer durch Vitaliserung des Bodens für mehr Resilienz sorgen kann, erhöht den Ertrag ohne zu düngen.

Näser plädierte eindringlich dafür, nicht alle Maßnahmen der Regenerativen Landwirtschaft – die er auch in seinem gleichnamigen Buch ausführlich beschreibt – gleichzeitig einzusetzen. Arbeitsabläufe auf den Höfen sollten schrittweise umgestellt werden und dabei stets die örtlichen Gegebenheiten und technischen Möglichkeiten im Blick sein.

Der Vortrag fand am 14. Oktober im antonius Hofcafé statt. Hinweis auf möglichen Interessenskonflikt: Die St. Antonius gGmbH gehört zu meinen Kunden für Öffentlichkeitsarbeit. Es gab keinen Auftrag über den Vortrag zu berichten, keinerlei redaktionelle Absprache oder Einflussnahme und keine finanzielle oder materielle Vergütung.

1 Kommentar zu “Ohne vielfältiges Bodenleben kein Aufbau von Humus – Lösung Regenerative Landwirtschaft

  1. …und ohne Humus kann der Boden kaum Wasser halten. Ich denke, dass regenerative Landwirtschaft ein Schlüsselfaktor bei der Anpassung an den Klimawandel ist.

    Meine Erfahrung als Gärtner ist, dass ich in diesem trockenen Jahr nur noch halb so viel Gießwasser brauchte im Vergleich zum ähnlich trockenen 2018. Und das, weil ich seitdem viel Arbeit in meinen Boden gesteckt habe.

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