Augen & Ohren

Wir sind abhängig vom Dreck (zu unseren Füßen)

Unser Planet ist im Sonnensystem einmalig. In einer gerade einmal 30 Zentimeter tiefen Erdschicht ist Leben möglich. Nur deswegen können wir die Lebensmittel anbauen und ernten, die wir – der Name verrät es – zum Leben benötigen. Dennoch vernichtet die Menschheit jährlich 10 Millionen Hektar fruchtbaren Boden. Höchste Zeit, wieder den Blick nach unten auf einen unserer wertvollsten Schätze zu richten: Mit dem Film „Unser Boden, unser Erbe“ bringt Marc Uhlig am 8. Oktober ein leidenschaftliches Plädoyer in die Kinos.

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Stets bedeckt, fein krümelig und von Leben wimmelnd – das ist der Idealfall. Dann kann der Boden einem Schwamm gleich Wasser speichern, für Pflanzen wertvolles CO2 binden und fruchtbaren Humus hervorbringen. Letzteres verlieren blanke Böden, die Wind und Starkregen ausgesetzt sind, kontinuierlich. Eine Szene in „Unser Boden, unser Erbe“ zeigt braunes Regenwasser, welches in Bächen von einem Acker fließt. Dem Zuschauer bleibt fast das Herz stehen und er möchte angesichts des Verlusts weinen. Da geht sie hin, die fruchtbare Erde, die Landwirtinnen und Landwirte mit viel Arbeit und Kompostwirtschaft aufgebaut haben. Das komplexe Öko-System Boden ist mehr als ein Behälter für Nährstoffe. „Wenn es um das Verständnis vom Leben im Boden und in der Pflanze geht, stehen wir völlig am Anfang“, sagt Demeter-Landwirt Achim Heitmann.

bodenlos = chancenlos

„Ich wundere mich, warum der Mensch in der Stadt so wenig Existenzängste hat, weil er absolut davon abhängig ist, dass hier etwas wächst“, sagt Heitmann während er auf seinen Acker deutet. Tatsächlich schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dass weltweit der Boden in Menge und Qualität nur noch 60 Jahre reicht, um alle Menschen zu ernähren – wenn wir nicht gegensteuern. Auch wenn Bio-Lebensmittel schon vor Jahren Einzug in nahezu jedem Supermarkt und Discounter gehalten haben, werden in Deutschland 90 Prozent der Ackerflächen chemisch-industriell bewirtschaftet.

Die Klimakrise ist längst in der Landwirtschaft angekommen und enkeltaugliche Wirtschaftsweisen sind schon lange nichts mehr für eine handvoll Idealisten, sondern sind zu einer breiten gesellschaftlichen Aufgabe geworden.

Kapitalismus als Fehler

Man sieht es einem Produkt nicht an, ob der Landwirt Humus aufbaut oder (aufgrund wirtschaftlichen Drucks) die Substanz verbraucht. Der Verkaufspreis wird davon ebensowenig beinflusst. Die dringende Aufgabe fruchtbare Böden nicht nur zu erhalten, sondern bestenfalls zu schaffen und dabei „ganz nebenbei“ die Artenvielfalt zu stärken, wird in den wenigsten Fällen finanziell belohnt. Das wertvolle Kapital namens Humus und Biodiversität fließt eben in keiner betriebswirtschaftlichen Bilanz ein.

Als einen möglichen Ausweg aus dem Hamsterrad der Höchsterträge und des möglichst billigen Produzierens präsentiert Uhlig in kurzen Abschnitten die Solidarische Landwirtschaft (Solawi) Ravensburg. Bei einer Solawi bildet sich eine Gruppe von Mitstreitern rund um einen landwirtschaftlichen Betrieb, um diesen auch finanzielle Sicherheit zu bieten. Er produziert dann nicht mehr für den freien Markt, sondern für die Gemeinschaft. Somit sei auch stets genügend Geld für die Bodenpflege vorhanden. Denn ob bio oder konventionell, der Marktdruck ist oft der gleiche.

Uhlig gelingt der erzählerischen Bogen vom kleinsten Bodelebewesen bis zu den großen Systemfragen. Wer sich „Unser Boden, unser Erbe“ zu Gemüte führt, wird die Erde zu seinen Füßen definitiv mit anderen Augen sehen und über jeden neu versiegelten Quadratmeter trauern.

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