Bio? Logisch!

Neue Roboter braucht die Landwirtschaft!?

Die Zeit der überdimensionierten, dummen und vor allem tonnenschweren Landmaschinen ist laut Walter Haefeker bald vorbei. Schon in naher Zukunft würden kleine und autonom arbeitende Agrar-Roboter säen, pflegen, punktgenau Pestizide einsetzen und ernten. Die Digitalisierung in der Landwirtschaft bringe Chancen für den Erhalt kleinbäuerlicher Strukturen und der Artenvielfalt – sie birgt allerdings auch die Gefahr von neuen Abhängigkeiten von Konzernen.

Den Vortrag inklusive Diskussion in voller Länge hören. Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Ein tonnenschwerer Traktor verdichtet fruchtbaren Ackerboden, während er eine Spritzvorrichtung hinter sich herzieht, die Pestizide großflächig und inklusive Abdrift verteilt. Solch ein Anblick soll laut Walter Haefeker, der 15 Jahre lang im Silicon Valley gelebt und die gleiche Zeitspanne Präsident des Europäischen Berufsimkerverbands war, schon bald Geschichte sein.

Mehr Biodiversität und weniger Herbizide

Der Treiber zu immer größeren Landmaschinen, deren Ausmaße in vielen Fällen längst an die Grenzen gesetzlicher Vorschriften gestoßen sind, sei der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt seit Jahrzehnten ab, während gleichzeitig viele der übrig gebliebenen Höfe tendenziell immer größere Ackerflächen bewirtschaften. Dies führe vermehrt zu Monokulturen, denn gerade große Landmaschinen benötigen homogene Flächen, damit sie ihre betriebswirtschaftlichen Vorteile ausspielen können. Salopp gesagt: Man habe die Landwirtschaft an die Bedürfnisse von großen, dummen Maschinen angepasst. „Der Bauernverband, der vorgibt die Interessen der Landwirte und bäuerlichen Familien zu vertreten, hat nie darüber nachgedacht, ob es auch anders sein könnte. Der Strukturwandel ist kein physikalisches Gesetz, sondern ist von Menschen gemacht und damit auch änderbar“, sagte Haefeker in seinem Vortrag.

Künftig wuseln kleine und autonom agierende Agrar-Roboter über die Flächen. Sie können punktgenau und darüber hinaus zeitversetzt säen um beispielsweise das Wetter-Risiko zu minimieren. Die Pflege der Kulturen sei dann ebenso individuell: Dank einer Bilddatenbank erkennt der Agrar-Roboter den Zustand der Kultur, Unkraut und Schädlinge – und leitet bei Bedarf automatisch passende Arbeitsschritte ein. Ebenso lassen sich einzelne Früchte nach einem vorher definierten Reifegrad einzeln ernten, was vor allem im Gemüsebau interessant ist.

Anstatt, dass eine große Maschine in einem Arbeitsgang über die Felder donnert, arbeiten die kleinen Helfer beständig und völlig unabhängig von der verfügbaren Arbeitskraft der Landwirte und deren Angestellten. Dies ermögliche vergleichsweise kleine Flächen wirtschaftlich zu nutzen, was wiederum den Weg für mehr Vielfalt der angebauten Kulturen frei mache. Stichwort Biodiversität. Der Einsatz von chemischen Mitteln ließe sich minimieren, denn sie würden nicht mehr großflächig ausgebracht, sondern punktgenau auf den tatsächlichen Bedarf abgestimmt. Das bisherige Alleinstellungsmerkmal der Biobranche chemiefrei zu wirtschaften, würde dadurch aufgeweicht.

Landwirte weiter von Konzernen abhängig?

Haefeker sieht allerdings die Gefahr, dass Landwirte auch bei der neuen Technik wieder von großen Konzernen abhängig werden, die dank ihres „dicken Patent-Portfolios“ die maßgeblichen Akteure der Digitalisierung in der Landwirtschaft sind. Das schade Landwirten, wie auch mittelständischen Herstellern von Landmaschinen, die gegen die Marktmacht der Konzerne kaum eine Chance hätten.

Noch ließe sich das Ruder herumreißen. Ein Großteil der Forschung in Sachen Programmierung und dergleichen finde in Deutschland durch Steuergelder finanziert an Universitäten statt. „Alles, was wir als Steuerzahler finanzieren, muss Open Source sein, darf nicht patentiert und an irgendwelche Konzerne verkauft werden.“ Entsprechende Gesetze und Regelungen müsse die Gesellschaft von der Bundesregierung fordern. Ansonsten landen Landwirtinnen und Landwirte in der nächsten großen Falle.

Walter Haefeker hielt seinen Vortrag „Bienen und Bauern retten“ am 29.09.2020 im Rahmen der Mitgliederversammlung der Interessengemeinschaft FÜR gesunde Lebensmittel in Fulda.