Romana Echensperger, Sommelière und Master of Wine, hat mit ihrem Buch „Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen – Biodynamisches Winzerhandwerk im Portrait“ eine Hommage an ausgewählte Demeter-Weingüter und deren Wirtschaftsweise abgeliefert. Völlig unerschrocken nähert sie sich der Biodynamik, die immer wieder in der Kritik steht „esoterisches Gedankengut“ zu beinhalten. Die Autorin zeigt die Vielfalt in den einzelnen Arbeitsweisen auf – und wie es dank lebendiger Böden gelingt nicht „nur“ Spitzenweine zu produzieren, sondern wertvollen Humus aufzubauen.
Bevor der Genuss im Glas landet und Echensperger ihre Leserinnen und Leser mit auf die Reise zu den zwölf Weingütern in Deutschland, Frankreich, Österreich und Italien nimmt, beginnt sie im wahrsten Sinne des Wortes bodenständig. Mit der Geschichte der Landwirtschaft zeigt sie zunächst auf, wie die chemisch-industrielle Denk- und Arbeitsweise entstanden ist – und wie sie „normal“ werden konnte. Vereinfacht zusammengefasst sieht diese Wirtschaftsform den Boden als Behälter für Nährstoffe, die man mittels Kunstdünger beliebig auffüllen und so den Ernteertrag und Qualität der Feldfrüchte steuern kann.
Ein ebenso spannendes Detail: Noch bis in den 1970ern waren Weingüter mitunter Mischbetriebe mit Nutztierhaltung, Obst- und Ackerbau und der entsprechenden Artenvielfalt. Die Spezialisierungen nahmen auch aufgrund von rechtlichen Auflagen zu und so festigten sich auf Weingütern die Monokulturen.
Biodynamik als Gegenentwurf zur chemisch-industriellen Landwirtschaft

„Mittlerweile ist wissenschaftlich bestätigt, dass die Präparate eine Wirkung haben“, schreibt Echensperger. Die Autorin widmet sich der Thematik unaufgeregt, denn „kosmische Kräfte“, Kuhhörner vergraben und dergleichen sind einigen Konsumenten dann doch zu „esoterisch“. „Das Beachten kosmischer Kräfte ist neben der Anwendung der Präparate ein Bereich, der immer wieder auf Verwunderung stößt. Dabei ist zum Beispiel der Einfluss der Sonne bei der Photosynthese ebenso unumstritten wie die Tatsache, dass der Mond eine Wirkung auf alles Wässrige hat. Die Gezeiten sind ein Beispiel dafür.“
Die Autorin arbeitet die Biodynamik als Gegenentwurf zur chemisch-industriellen Landwirtschaft verständlich auf, denn ein großes Ziel ist der Aufbau von Humus mittels lebendigen Böden. Denn nur das verspricht zukunftssicher ertrag- und nährstoffreiche Ernten.
Es ist eine kluge Entscheidung, Leserinnen und Leser erst nach der Informations-Stärkung die Spitzenweingüter und die Menschen dahinter vorzustellen. Einerseits werden Zusammenhänge klarer und man merkt schnell, dass es durchaus individuelle Unterschiede in den Arbeitsweisen gibt. Denn so wenig wie „der“ Rotwein existiert, gibt es auch nicht „den“ Demeter-Winzer. Die genaue geschmackliche Beschreibung ausgewählter Jahrgänge weckt zudem die Lust, sich in Ruhe ein Glas Wein zu gönnen. Ein Buch für Weinkenner und die, die es werden wollen.
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