Meinung

Niedliche Küken möchten verspeist werden

Kommentar

Ein gutes Gewissen vermitteln zu können ist seit jeher verkaufsfördernd. So auch im Falle von Bio-Eiern, die nach den Richtlinien der Anbauverbände Bioland, Naturland, Demeter und Biokreis zertifiziert sind. Die ökologische Aufzucht der Bruderhähne ist verpflichtend, zu jeder Legehenne ein Hahn. Auch unter EU-Bio ist dies mitunter gelebte Praxis. Wer allerdings die ökologische Aufzucht der Bruderhähne fordert, muss auch konsequent deren Fleisch nutzen – und zwar jetzt.

Jedes niedliche Küken ist am Ende ein schlachtreifer Bruderhahn
Bild: Brudertier Initiative Deutschland/Daniela Schubert

Mag das Töten direkt nach dem Schlupf in Deutschland verboten sein, hat sich die Geschlechtsbestimmung im Ei außerhalb der Richtlinien der Anbauverbände als Ausweg etabliert. Reift ein männliches Tier heran, wird es aussortiert und getötet.

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Jeder Kauf von Bio-Eier in Verbandsqualität lässt Verbraucherherzen höher schlagen, sobald man an die vielen geretteten niedlichen Küken denkt. Mag dieser Schritt ethisch vielleicht richtig sein, beginnt jedoch ein großes Dilemma. Genetisch sind die Brüder der auf eine hohe Legeleistung getrimmten Hennen nicht für die Mast geeignet. Sie verbrauchen vergleichsweise viel Futter, um am Ende wenig Fleisch zu liefern. Die wirtschaftliche und ökologische Katastrophe ist dann perfekt, wenn sich Bruderhahnfleisch aufgrund mangelnder Nachfrage nur schwerlich vermarkten lässt. Diese schmerzliche Erfahrung musste jüngst Bio-Handel Nordwest machen. Wie Sauerbier bot man es mit enorm großen Aufwand Verarbeitern, Akteuren der Außer-Haus-Verpflegung und privater Kundschaft an. Sackgasse auf allen Ebenen, teils endeten Fertigprodukte im Glas als Abfall. Das ist inakzeptabel und himmelschreiend respektlos wertvollen Ressourcen wie auch den Tieren selbst gegenüber.

Um es deutlich zu sagen: Wer die ökologische Aufzucht der Bruderhähne zur Pflicht erhoben hat, muss umgehend für stabile Wertschöpfungsketten sorgen und den Geburtsfehler des freiwilligen Verarbeitens des anfallenden Rohstoffs korrigieren. Konventioneller Lebensmitteleinzelhandel, Discounter und Bio-Fachhandel müssen flächendeckend Bruderhahn-Produkte ins Sortiment aufnehmen. Private Kundschaft darf die ökologische Aufzucht nicht mehr „nur“ fordern und beklatschen, sondern muss sie durch Verspeisen ermöglichen.

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