Effektiver Umweltschutz ist mindestens so komplex, wie die Zusammenhänge ökologischer Krisen wie Klimawandel und Artensterben. In den letzten Jahren sind Bienen vom reinen Honig-Lieferanten zum umweltpolitischen Symbol avanciert, der Slogan „Rettet die Bienen“ mobilisiert breite gesellschaftliche Kräfte. Dank des fleißigen Insekts lässt sich erkennen, wie sich Monokultur, exzessiver Einsatz von Pestiziden und nicht zuletzt die Erderwärmung auswirken. Wohl deswegen hatte sich Slow Food Deutschland in einer Onlinediskussion „Heißer Honig – Bienen und der Klimawandel“ ihrer angenommen.
Über 80 Prozent unserer Kulturpflanzen müssen von Insekten bestäubt werden – von Bienen, Hummeln und Schmetterlingen. Bleibt das aus, gibt es an dieser Stelle nichts zu ernten. So einfach ist die Gleichung. Aber: „Argrarsysteme werden noch immer ohne Bienen und Insekten gedacht“, sagte Stig Lanzmann, Referent Landwirtschaft bei Brot für die Welt.
Landwirtschaft killt Biene
Von den in Deutschland beheimaten 560 Wildbienenarten sei die Hälfte in ihrer Existenz bedroht, einige seien bereits ausgestorben, mahnte Tobias Miltenberger, Demeter-Imker und Geschäftsführer probiene – Freies Institut für ökologische Bienenhaltung. „Auch wenn die Honigbiene weit davon entfernt ist auszusterben, geht es ihr nicht gut. Völker brechen rapide zusammen, die Verluste im Winter werden immer größer.“
Die Ursachen sind vielfältig. Ausgeprägte Monokultur in der Landwirtschaft sorgt für ein einseitiges Nahrungsangebot und schränkt dieses zeitlich ein. Nach der Blüte gibt es für Bienen nichts mehr zu holen. „Dennoch haben sich durch Zuchterfolge die Erträge pro Volk in den letzten 60 Jahren vervierfacht. Allerdings verengt die einseitige Zucht auch den Genpool.“ Das gleiche Problem wie bei Rindern und Hühnern: Die Menge der Milch oder gelegten Eier steht bei der Zucht seit Jahrzehnten im Vordergrund und hat spezialisierte Hochleistungsrassen hervorgebracht. Dieser Leistungsgedanke der industriellen Landwirtschaft sei schon lange in der gewerblichen Imkerei angekommen.
Recht schnell kam Miltenberger daher auf die große Systemfrage: Kapitalismus. Seit etlichen Jahren laute die Devise in der Landwirtschaft wachse oder weiche, ökologische Nachhaltigkeit spiele die zweite Geige. Deutsche Bäuerinnen und Bauern können nur schwerlich mit Weltmarktpreisen konkurrieren und gleichzeitig umfassend die Natur schützen. „Landwirte geben ihren Druck bis auf den Acker weiter.“ Saubere Luft, fruchtbarer Boden, Artenvielfalt bei Flora und Fauna fließen in keiner wirtschaftlichen Bilanz als Werte ein. Vielmehr könne man diese Gemeingüter „verbrauchen“ ohne finanziell aufkommen zu müssen. Die Rechnung zahlt am Ende meist die Allgemeinheit und nicht der Verursacher. „Der Ertrag wird auf Teufel komm raus mit Dünger gesteigert, die guten Bestäuber werden dabei vergessen“, stimmte Lanzmann zu.
Der Einsatz von Pestiziden bereitete Miltenberger große Sorge, da sie auch nützliche Insekten schädigen. „Manche Mittel sind in Peru längst verboten, aber immer noch im Einsatz“, erweiterte Ysabel Calderón, Imkerin und Aktivistin bei Slow Food International, die Debatte um die globale Perspektive. Mit eigenen Augen habe sie beobachtet, wie Pflaumen mit chemischen Mitteln besprüht und direkt am nächsten Morgen geerntet wurden. Eindringlich plädierte Lanzmann für einen Exportstopp von in Europa längst verbotenen Pestiziden – gerade weil man wisse, wie schädlich diese für Mensch und Umwelt seien.
Klimawandel wirkt sich auf Bienen aus
Für viele Menschen ist der Klimawandel und seine Folgen abstrakt, dabei wirkt er sich schon längst auf Bienen aus. So beobachtet Calderón, dass sich in ihrer peruanischen Heimat die Honigbiene besser als ihre wilden Vertreter anpassen kann. „Wenn sich die Temperaturen weiter erhöhen, werden wir viele Arten von Wildbienen verlieren.“
In Deutschland dehnen sich Frühling und Herbst tendenziell aus, Sommer und Winter verkürzen sich. Für Wildbienen, die sich auf eine bestimmte Pflanze spezialisiert haben, ist das fatal. Deren Zusammenspiel hat sich über etliche Jahrhunderte etabliert, der Klimawandel bringt diesen Takt durcheinander; Blüte und Insekt finden zeitlich nicht mehr zusammen. „Die früh blühende Küchenschelle hat nur wenig Chancen zu überleben. Sie wird fast ausschließlich von der Gehörnten Mauerbiene bestäubt, die allerdings später schlüpft“, erklärte Miltenberger. Das sei ausdrücklich nur ein Beispiel von vielen, in denen Symbiosen auseinander brechen, weil sich die Blühzeiten verschoben und Wildbienen nicht angepasst haben.
Zudem würden Bienenvölker aufgrund der milden Temperaturen das ganze Jahr hindurch brühten – eine gute Nachricht für den sich in der Brut vermehrenden Parasit Varoamilbe. „Ist die Schadschwelle überschritten, bricht das gesamte Bienenvolk ein.“ Insgesamt gelte es, das Klima zu stabilisieren.
Der Wald als Klimaschützer
Brennende Regenwälder, die riesigen Plantagen weichen müssen – ein unglaublicher Artenreichtum wird für industrielle Landwirtschaft vernichtet. Calderón erlebt dies in ihrer Heimat hautnah mit. Viele indigene Völker würden allerdings den flächendeckenden Anbau von Ölpalmen durchaus schätzen – schließlich verspricht er hohe Einkommen. „Der Amazonas ist die Lunge der Welt. Was dort geschieht, wirkt sich überall aus“, mahnte sie. Für das Vernichten des Regenwalds ist auch der globale Norden verantwortlich, wie Lanzmann betonte. Im Amazonasgebiet werden Rindfleisch und (gentechnisch-verändertes) Soja für den europäischen Markt produziert. „Das sind Wüsten, in denen außer der gentechnisch-veränderten Pflanze nichts mehr wächst.“
Europäer denken bei Wald zuerst an Holz, was sich laut Lanzmann dringend ändern müsste. Beim Anbausystem Agroforst werden Bäume und Sträucher mit Ackerbau und Tierhaltung kombiniert. „Die Hecke wird nicht mehr gerodet, sondern bewusst gepflanzt“, freute er sich über den landwirtschaftlichen Wandel, der an einzelnen Beispielen sichtbar würde. Unsere Art Lebensmittel zu produzieren müssen resilienter werden. Im Zuge des Klimawandels sei es möglich, dass auf extreme Dürren große Überschwemmungen folgen. „Darauf können wir nur mit Vielfalt antworten: abwechslungsreiche Landwirtschaft mit mehr ökologischen Nischen.“
Hinweis: Die Onlinediskussion fand am 16.02.2021 statt.
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