Würden weltweit die Börsenkurse um 90 Prozent einbrechen und auch Gold ebenso an Wert einbüßen, gäbe es in den Medien nur ein Thema. Unrealistisch? In Sachen Saatgut haben wir nur noch ein Zehntel unseres Kulturschatzes erhalten können, der Rest ist verloren. Für unsere Nahrungssicherheit ist das katastrophal. Doch zum Glück gibt es weltweit Hüter alter und bewährter Getreide- und Gemüsesorten. Der in dieser Woche im Kino startende Dokumentarfilm „Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen“ stellt einige von ihnen vor.
„Hybrid-Mais war die Atombombe der Landwirtschaft“, ist eines der einprägsamsten Zitate des Films. Claire Hope Cummings, Anwältin für Umweltrecht in den Vereinigten Staaten, erklärt, wie Hybrid-Saatgut traditionelle samenfeste Sorten im Erwerbsanbau weitgehend verdrängt hat. Für Saatgut-Firmen wie Monsanto ist dies ein lukratives Geschäft: Da Landwirte Hybride nicht vermehren können, müssen sie jedes Jahr neues Saatgut kaufen. Wenn allerdings weitgehend nur eine Sorte in Monokultur angebaut wird, braucht es nur eine einzige Pflanzenkrankheit, um einen großen Teil der Ernte zu vernichten. Die Natur setzt auf Vielfalt, der Mensch ist hingegen oftmals einfältig.
Mais ist bunt und mehr Blumenkohl bitte!
Alleine über 150 Sorten Blumenkohl gab es und Mais ist nicht immer gelb. Es gibt ihn in fast allen Farben – so vielfältig könnte unsere Ernährung sein. Jede Sorte hat ihre Vorteile, wie die indische Aktivistin Vandana Shiva im Film am Beispiel Reis erklärt. Während manche Sorten viel Wasser benötigen, gedeihen andere auch in trockenen Perioden. Eine Ernte droht so nie komplett auszufallen.
Vielfalt auf dem Acker durch essen erhalten
Die Ureinwohner Mexikos und Amerikas erzählen von ihren Traditionen, Saatgut wie einen wertvollen Schatz zu behandeln und ihn an die nächste Generation zu vererben. Auch private Initiativen, die Sorten vor dem Aussterben bewahren, stellt der Film vor. Allerdings kann man Saatgut nicht ewig lagern, sondern muss es immer wieder anbauen, um frische Saaten zu gewinnen. Eine reine Erhaltungszucht ist keine Dauerlösung.
Die Vielfalt auf dem Acker können wir nur durch essen erhalten. So kauft ein Restaurant in Mexiko etliche Sorten Mais direkt von Landwirten, um echte traditionelle Tortillas zuzubereiten. Unser Saatgut ist kein Kulturschatz zum Anschauen, er möchte genutzt werden. Handel und Gastronomie können gemeinsam mit bewussten Konsumenten durch ihre Nachfrage Landwirten einen Umstieg auf besondere samenfeste Getreide- und Gemüsesorten ermöglichen.
Wohl vielen Kinobesuchern wird es nach dem Film zudem in den Fingern jucken, einen Garten anzulegen und besondere Sorten anzubauen. Die Filmemacher verstehen es, ihr Publikum emotional zu berühren und selbst das für bewusste Bio-Kunden oftmals noch scheinbar zu komplexe Thema Saatgut zugänglich zu machen.
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