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Welthunger durch Welthandel

In Sachen Welthunger war 2008 ein regelrechtes Krisenjahr: Lebensmittel wurden knapp, die Preise stiegen. „Die Zahl der Hungernden schnellte auf eine Milliarde“, sagt Nikolai Fuchs, Vorstandsmitglied der GLS Treuhand und Gründer der Stiftung Nexus Foundation. Für ihn war die damalige Situation ein Weckruf, sich eingehender mit den Ursachen des Welthungers zu beschäftigen und Lösungen auszuarbeiten. Sein Ziel: Einen Beitrag zur Linderung des Welthungers am Ansatzpunkt Welthandel zu leisten.

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„Auf die Katastrophen können wir nicht warten“, mahnte Nikolai Fuchs auf der Landwirtschaftlichen Treuhandtagung am 21. März. Angesichts des Welthungers müssten schon heute Alternativen entstehen.
Bild: Jens Brehl – CC BY-NC-SA 4.0

Jens Brehl: In welcher Form widmen Sie sich dem Thema Welthunger?

Nikolai Fuchs: Im Juli 2010 habe ich die Stiftung Nexus Foundation als Denkfabrik in Genf im Umkreis der Welthandelsorganisation (WTO) und der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) gegründet. Wir beschäftigen uns hierbei hauptsächlich mit dem Welthandel. Die WTO hat zwar bereits mit dem „Agreement of Acriculture“ ein Sonderabkommen für die Landwirtschaft, welches aber gleichwohl klassisch marktwirtschaftlich gestrickt ist. Da diese Form des Welthandels das Hunger-Problem verschärft, möchten wir Beiträge leisten, die Sondervereinbarung inhaltlich neu zu gestalten.

Jens Brehl: Inwieweit führt denn der weltweite Handel zu Hunger?

Nikolai Fuchs: Es gibt Hunger, der durch Krisen wie Kriege oder extremen Wetterlagen verursacht wird. Etwa 90 Prozent des Welthungers ist jedoch systembedingt und der Welthandel spielt hier eine wesentliche Rolle. Das Bild muss man aber differenziert betrachten: Der Welthandel hilft in städtischen Gebieten die Menschen mit günstigen Lebensmitteln zu versorgen, während er nach meiner Beobachtung die Probleme in den ländlichen Regionen verschärft.

In marktförmig organisierten Strukturen wandern Lebensmittel zur Kaufkraft, die meist in den Städten zu finden und per Export zu erreichen ist. Der Großteil der Hungernden lebt daher auf dem Land, wo die Lebensmittel ausgeführt werden, wobei auch Kleinbauern selbst betroffen sind. Vereinfacht gezeichnet ist es so, dass Land, das vorher traditionell den dort ansässigen Familien zur Verfügung stand, vom Staat okkupiert und an Investoren verkauft wird. Diese legen dann in der Regel große Plantagen in Monokultur an und produzieren meist für den Export.

Der Verlust der Lebensgrundlage der Landbevölkerung geht einher mit dem Versprechen von wirtschaftlichem Aufschwung und Arbeitsplätzen. Diese sind dann meist aber prekär, weil kaum oder gar keine sozialen Sicherheiten geboten werden und die Löhne gering sind. Darüber hinaus fallen die Arbeiten nur saisonbedingt an. Die Spitzenpositionen werden von extern eingeflogenen Kräften besetzt. Am Ende verarmt die Landbevölkerung, die sich vorher noch selber versorgen konnte, und kann sich Lebensmittel nicht mehr leisten.

Jens Brehl: Was geht mich als einzelner und zudem mit Lebensmitteln bestens versorgter Europäer der Welthunger überhaupt an?

Nikolai Fuchs: Wir sind Profiteure in einem Spiel, bei dem es deutlich Verlierer gibt. Auch wir Europäer sind unmittelbar davon betroffen, wenn Flüchtlinge aus Hungergebieten beim Versuch das Mittelmeer zu überqueren ihr Leben lassen. Darüber hinaus ist es mit der Menschenwürde unvereinbar, wenn andere hungern, während wir im Überfluss leben. Für mich ist dieser Zustand schlicht unerträglich, weil es vor allem auch Kinder trifft. Täglich sterben weltweit in etwa 20.000 von ihnen aufgrund von Unterernährung. Kein einziges Kind kann etwas dafür und wird dennoch von der Weltgemeinschaft hungern gelassen. Das ist inakzeptabel.

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