Er legt den Arm um Bundeskanzlerin Angela Merkel, schickt dem Papst Briefe und legt Köstlichkeiten aus der Region bei. Geht es um bewusste Ernährung – „Jeder Einkauf ist ein Stimmzettel!“ – spricht Georg Sedlmaier mutig alle Menschen an, die ihm begegnen. Vor 20 Jahren nahm seine Interessengemeinschaft FÜR gesunde Lebensmittel (IG FÜR) in Fulda seinen Anfang und dort wurde in der tegut…-Zentrale am vergangenen Samstag das Jubiläum auch gefeiert.
„Heute ist es selbstverständlich, dass Lebensmittelhersteller auf künstliche Aromen und Geschmacksverstärker verzichten. Bei rein natürlichen Zutaten lacht mein Herz“, sagte Georg Sedlmaier, Gründer und Vorstandsvorsitzender der IG FÜR. Vor 20 Jahren noch als Mitglied des tegut… Vorstands fiel seine Idee, Menschen aus unterschiedlichen Berufsgruppen für gesunde Lebensmittel zu begeistern, auf fruchtbaren Boden. Heute vereint die Gemeinschaft 675 Mitglieder.
„Bei der IG FÜR treffen sich Menschen, die sonst nicht zusammen finden. Sie tauschen Erfahrungen aus, erkennen Mitstreiter und gehen gestärkt auseinander“, betonte Gastgeber Thomas Gutberlet, Geschäftsführer tegut…
„Es geht schon lange um mehr, als nur künstliche Aromen im Essen zu vermeiden“, sagte Sedlmaier im ernsten Ton. Nur durch ökologisch nachhaltiges Wirtschaften könne man die Ressourcen der Erde bewahren.
Landwirte: Aus Verlierern Gewinner machen
In die gleiche Kerbe schlugen auch die Referenten des Tages. „Bauern sind die Verlierer der industriellen Gesellschaft“, warnte Rudolf Bühler von der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Nach einem harten Arbeitsleben drohe nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Deutschland vielen Landwirten die Altersarmut. Dabei haben diese in vielen Generationen Kulturpflanzen und Nutztiere gezüchtet. „Diese Schätze reißen Konzerne mittels Patente an sich.“ Ebenso sei in kurzer Zeit ein großer Teil der Artenvielfalt verschwunden. Als Bühler 1984 in vierzehnter Generation den heimischen Hof übernahm, waren von 15 Schweinerassen nur noch drei übrig.
Der „ökologische Ernstfall“ ist bei der Neumarkter Lammsbräu 1995 eingetreten. Seitdem verlassen nur noch Bio-Biere die Brauerei. „Bier brauen beginnt auf dem Acker“, stellte Geschäftsführer Dr. Franz Ehrnsperger klar. Um auf Augenhöhe mit den Landwirten zu agieren, gibt es seit 1989 eine entsprechende Erzeugergemeinschaft. Die Brauerei schließt fünfjährige Lieferverträge und zahlt bis zum Dreifachen des üblichen Marktpreises. Mit diesem Grundeinkommen bleiben landwirtschaftliche Betriebe auch für die nächsten Generationen attraktiv.
Regional, Bio und fairer Handel
Großen Wert auf Produkte aus den jeweiligen Regionen der 46 deutschen Märkte, legt Prof. Dr. Horst Lang von der Globus SB-Warenhaus Holding. Doch „regional“ fuße nicht zwangsläufig auf einer guten Agrarpraxis. „Bio und regional gehören zusammen.“ Auch Jörg Hieber, Inhaber der Hieber Frischemärkte, fand deutliche Worte: „Wenn große Abnehmer aufgrund von zu kleinen Produktionsmengen nicht mehr in der Region einkaufen, müssen wir einspringen.“ Nur so blieben Kulturlandschaften erhalten.
Im Abschlussvortrag eröffnete Margit Epple, Geschäftsführerin Rapunzel Naturkost, den globalen Blick. 1974 aus einer Selbstversorgergemeinschaft entstanden, handelt das Unternehmen heute jährlich mit 35.000 Tonnen Lebensmittel. „Wir möchten die ökologische Landwirtschaft in die Welt tragen.“ Eingekauft wird zu fairen Preisen direkt vom Bauern.
Keine Frage, Georg Sedlmaier wird in den nächsten Jahren garantiert nicht langweilig. Wie ihn seine Mitstreiter kennen, spricht er wahrscheinlich in diesem Augenblick bereits mit dem nächsten potentiellen Mitglied der IG FÜR.
Nachtrag: Hinweis in eigener Sache
Die IG FÜR hat im Nachhinein freiwillig 300 Euro zzgl. Mehrwertsteuer für diesen Artikel bezahlt. Ich versichere: Niemand hat Einfluss auf dessen Inhalt genommen, noch bestand ein Auftrag, die Veranstaltung zu besuchen und darüber zu berichten. Diesen Beitrag habe ich als freier Journalist auf Eigeninitiative verfasst.
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