Bio? Logisch!

Foodwatch gegen falsche Früchtchen

Wenn Kirschtee ohne Kirschen auskommt, Zitronen-Limonade keine Zitronen enthält und Alaska-Seelachs gar kein Lachs ist, fühlen sich Konsumenten betrogen. Doch solche und weitere irreführende Kennzeichnungen von Lebensmitteln sind legal. Festgelegt werden die entsprechenden Leitsätze von der geheim tagenden Lebensmittelbuch-Kommission, in der auch Interessensvertreter der Lebensmittel-Industrie sitzen. Die Verbraucherorganisation Foodwatch möchte dies ändern.

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Bild: Foodwatch e. V.

Die Lebensmittelbuch-Kommission erstellt die so genannten Leitsätze für Lebensmittel, die unter anderem festlegen, was unter einem „Früchtetee“ zu verstehen ist. Sie sind zwar keine Gesetze, werden in der Praxis im Grunde so angewendet. Sie lassen beispielsweise zu, dass die namensgebende Frucht in einem Früchtetee gar nicht enthalten sein muss. Erst im Kleingedruckten findet der Konsument die Information, dass sein Kirschtee ganz ohne Kirschen auskommt und diesem lediglich entsprechendes Aroma zugesetzt wurde.

Einfluss der Lobbyisten brechen

„Im Geheim-Club Lebensmittelbuch-Kommission sitzen die Lobbyisten der Ernährungsbranche mit am Tisch und dürfen im Auftrag der Bundesregierung offiziell mitentscheiden, wie Lebensmittel herzustellen und zu kennzeichnen sind“, kritisierte Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelkennzeichnung bei foodwatch. „Verbraucher werden durch die teils hanebüchenen Vorgaben der geheim tagenden Kommission immer wieder in die Irre geführt. Es ist höchste Zeit, diese staatlich legitimierte Verbrauchertäuschung zu stoppen: Wie Lebensmittel zu kennzeichnen sind, muss der Gesetzgeber festlegen – nicht ein Geheim-Gremium, in dem die Lobbyisten der Lebensmittelwirtschaft verbraucherfreundliche Regelungen blockieren können.“

In einem offenen Brief an den für Ernährung zuständigen Bundesminister Christian Schmidt (CSU) fordert Foodwatch, die Lebensmittelbuch-Kommission abzuschaffen und die Verbraucher nicht länger mit falschen Kennzeichnungen in die Irre zu führen. Wer möchte, kann die Aktion per E-Mail unterstützen.

8 Kommentare zu “Foodwatch gegen falsche Früchtchen

  1. Jens Hakenes

    Ich finde es wirklich erstaunlich, wie diese Aromen funktionieren. Mir ist es neulich selbst zum ersten Mal bewusst passiert, dass ich von einem natürlichen Geschmack enttäuscht war – offenbar, weil ich mich an ein künstliches Aroma so sehr gewöhnt und das nun erwartet hatte. Ich kann mich nur leider nicht mehr erinnern, was es war. Ob die künstlichen Aromen auch das Gedächtnis angreifen? ;-)

    Mich freut es, dass Foodwatch hier so ausführlich auf Kritik eingeht. Mir geht es ähnlich wie Sonja. Bei vielen Organisationen fehlt mir eine grundsätzlichere Herangehensweise; dass sie den Ursachen auf den Grund gehen und nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Allerdings ist die Frage, ob das leistbar/realistisch ist. Besser wäre wohl auch hier eine Arbeitsteilung: dass Foodwatch auf solche Dinge aufmerksam macht und auf andere Organisationen verweist, die tiefer bohren. In diesem Fall würden mir da LobbyControl und (noch weiter gehender) der Equilibrismus e. V. einfallen. Bei letzterem gehöre ich allerdings zur Lobby. Deswegen ist dieser Link mit Vorsicht zu genießen: http://www.equilibrismus.org. :-)

  2. Hallo Jens,

    ja, die Kommentare waren zum oben genannten Tee „Herzkirsche“, als Beispiel:
    http://www.ciao.de/Teekanne_Herzkirsche__7700732
    http://www.dooyoo.de/tee/teekanne-herzkirsche/Testberichte/

    Ich glaube was du ansprichst ist ein sehr wichtiger Punkt und auch einer der Gründe für den Einsatz vieler Aromen und Zusätze. Das viele Leute, auch bei Bio-Produkten, das ganze Jahr über bei einem Produkt die gleichen Eigenschaften erwarten. Da kann ich mich noch nicht einmal ganz ausschließen… Etwas von einer Marke soll immer gleich aussehen, gleich riechen, gleich schmecken. So ein Standard ist natürlich nicht einfach zu halten.

    Viele Grüße

    • Jens Brehl

      Danke für die Links. Bei einer Bewertung musste ich schmunzeln: Da schreibt eine Dame, sie kaufe den Tee weil sie Kirschen mag. Ob sie schon bemerkt hat, dass gar keine Kirschen drin sind?

  3. Hallo und zuerst vielen Dank für die ausführlichen Meinungen!

    @Jens: Die Verpackung soll Kirschen, auch als Inhaltsstoff suggerieren, da sind wir uns denke ich einig. Du sprichst einen guten Punkt an- Was erwartet der Konsument eigentlich bei dem Namen? Als reine Vermutung würde ich behaupten: Die Zielgruppe deines Blogs erwartet, dass Kirschen oder zumindest Kirschsaft enthalten ist- und das der Tee nach Kirschen schmeckt. Was erwarten andere, die sich nicht mit Lebensmittel beschäftigen? Würden sie den Tee kaufen, wenn die Aufschrift lautet „Tee mit Kirschgeschmack durch Aromazugabe“? Ich habe aus Neugier einige Bewertungen von Konsumenten im Internet durchgelesen, welche überwiegend positiv waren. Zum Teil wurden „künstliche Aromen“ als Kritikpunkt gesehen, führten in der Gesamtbewertung aber nur zu größeren Abzügen, wenn der Geschmack als „künstlich“ bewertet wurde.
    Würde „Mobilfunkaroma“ wirklich bedeuten, dass man nicht mehr telefonieren kann? Oder eher, dass man telefoniert, aber nicht gewohnt über Funk, sondern, ach, seien wir albern, „per Magie“? ;)

    Das Beispiel mit dem Autofahren/Führerschein finde ich übrigens sehr gut und passend! Und es betont auch eine wichtige Sache: Den Verbrauchern nahezubringen, selbst ein Auge auf die Sachen zu werfen und sich nicht darauf verlassen, dass alle anderen bei rot stehen bleiben.

    @Andreas: Auch hier noch einmal danke für die ausführliche Erläuterung.

    Ja, die Gestaltung ist definitiv Geschmackssache, keine Frage. Natürlich sind zugespitzte Titel und Bilder ein effektives Mittel, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Mir persönlich sagt dies nicht unbedingt zu, weil ich als Leser manchmal das Gefühl habe, eine Meinung aufgezwungen zu bekommen.

    Ich habe nicht geschrieben, dass es „nur“ Kurzinfos gibt, sollte es so verstanden worden sein, möchte ich mich entschuldigen.
    Natürlich ist foodwatch kein Beratungsportal, für einzelne Produkte würde ich auch keine Beratung erwarten, das ist unmöglich. Trotzdem heißt es „nicht nur informieren und Verbraucher aufklären“- Aufklärung bedeutet für mich nicht nur aufzeigen, wer „böses“ verkauft, sondern auch ein ausführlicheres Warum (Verbraucher will niedrige Preise? intensiven Kirschgeschmack? Oder: worauf muss ich bei der Kennzeichnung achten? Mehr Lösungsvorschläge?).
    Dabei finde ich muss man klar differenzieren zwischen Dingen, die man als Verbraucher überprüfen kann (Zuckergehalt) oder eben erwähnten, nicht festgelegten Kennzeichnungen oder Pestizidgehalten- wo unabhängige Untersuchungen absolut hilfreich sind, darüber braucht man denke ich nicht diskutieren.

    Unser Bild bezüglich des Verbrauchers unterscheidet sich wohl im Punkt der Eigenverantwortlichkeit. Ich finde zum Beispiel nicht, dass es zu mühselig für Eltern ist, den Zuckergehalt pro 100g auf den von Foodwatch stark angeprangerten Kindersnacks nachzulesen. Oder den gesunden Menschenverstand anzuschalten und zu wissen, dass Puddings, Bonbons und Schokolade in Massen nicht gesund sind. Oder bei Tee das Kirscharoma zu sehen.
    Da muss natürlich die Beschriftung stimmen, ganz meine Meinung. Was die Mindestschriftgröße angeht- aus meiner Sicht kein leichtes Thema und bei Senioren auf jeden Fall schwierig, für viele andere spätestens mit Lesebrille oft machbar. Schwer umzusetzen bei kleinen Verpackungseinheiten wie bei Schokoriegeln oder Kaugummi denke ich.

    Insgesamt gibt es ohne Frage viele Punkte, bei denen Verbesserungspotential besteht, sowohl beim Hersteller als auch bei uns als Verbraucher.

    Viele Grüße

    • Jens Brehl

      Hi Sonja, du schreibst „Ich habe aus Neugier einige Bewertungen von Konsumenten im Internet durchgelesen, welche überwiegend positiv waren. “ Kannst du hier ein paar Links einstellen? Finde ich nämlich interessant. Waren es Bewertungen zum „Kirsch“tee?

      Die Frage, was sich der Konsument wünscht ist entscheidend. Denn viele Geschmacksrichtungen bekomme ich auf natürlichem Wege nur schwer oder eben gar nicht hin. Mir muss dann klar sein, dass ich ein Produkt aus der Fabrik / dem Labor kaufe. Auch bei manchen Bio-Produkten bin ich skeptisch, die zu jeder Jahreszeit gleich schmecken. Wenn ich von einem Baum Äpfel ernte, schmeckt jede Frucht ein wenig anders. Ein Apfel hat vielleicht mehr Sonne abbekommen wie der auf dem Nachbar-Ast.

      By the way: Tolle Diskussion.

  4. Hallo Sonja,

    du kritisiert zum einen die Aufmachung, Gestaltung etc. der Website von foodwatch. Klar, das ist natürlich auch Geschmacksache. Aber klar ist für uns auch: Um gehört zu werden, dürfen und müssen wir auch zuspitzen und pointiert formulieren. Und dazu gehören auch Bilder und grafische Darstellungen, die unseren Protest auf den Punkt bringen. Dahinter steht aber immer eine seriöse und ausführliche Recherche.

    Und an diesem Punkt muss ich dir dann doch entschieden widersprechen: Du findest bei foodwatch mitnichten nur Kurz-Infos ohne Belege und Nachweise. Zu jedem Thema gibt es neben einem schnellen Überblick (den „2-Min-Infos“) weiterführende Informationen, Quellen, Hintergrundpapiere. Regelmäßig veröffentlichen wir umfassende Reports, etwa zum Thema Kinderlebensmittel (zum Download als pdf unter http://www.foodwatch.de/kinderreport) oder zur Nahrungsmittelspekulation (http://www.foodwatch.org/de/informieren/agrarspekulation/mehr-zum-thema/foodwatch-report-die-hungermacher/)

    Eines findest du bei uns aber in der Tat eher nicht: Konkrete Verbrauchertipps oder Empfehlungen für den Einkauf. Ich kann verstehen, dass das manchmal etwas enttäuschend ist. Aber wir verstehen uns als politische Organisation, die an den bestehenden Gesetzen und Zuständen im Lebensmittelmarkt etwas verändern will – nicht als serviceorientierte Verbraucherberatung. Unsere Position ist: Ich als einzelner Verbraucher kann im Supermarkt tatsächlich relativ wenig ändern. Du hast natürlich Recht, wenn du schreibst, dass viele Dinge, die wir kritisieren, im Kleingedruckten hinten auf der Packung zu finden sind. Aber es ist eben nicht unser Bild vom Verbraucher, dass man erst mühsam quasi den „Zutatenlistendetektiv“ spielen muss, bevor man sich für ein Produkt entscheidet. Wir finden es schlichtweg irreführend, wenn z.B. vorne auf der Packung groß mit Früchten geworben wird – und dann im Kleingedruckten steht, der Geschmack kommt nur aus Aroma. Warum sollten wir uns das gefallen lassen von der Lebensmittelindustrie?

    Und in vielen Fällen hilft eben noch nicht einmal ein Blick ins Kleingedruckte, und dann bin ich als einzelner tatsächlich machtlos: Ich kann ja nicht selber das Gemüse auf den Pestizidgehalt testen oder einen Dioxin-Test machen, bevor ich Eier kaufe. Es heißt immer, der „mündige Verbraucher“ habe die Macht. Aber wie bitteschön habe ich als Verbraucher zum Beispiel die Macht, mich beim Einkauf bewusst gegen Agrar-Gentechnik auf den Feldern auszusprechen, wenn die entscheidende Kennzeichnungslücke bei Gentechnik nicht geschlossen wird: 80 Prozent aller gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU werden als Futtermittel verwendet – doch auf Milch, Eiern oder Käse muss das nicht gekennzeichnet werden. Als Verbraucher kann ich also nicht erkennen, ob ich mit meinem Einkauf die Agrar-Gentechnik indirekt unterstütze.
    So etwas zeigt in unseren Augen: Eine bewusste und informierte Kaufentscheidung im Supermarkt ist oft kaum möglich, weil uns Verbrauchern entscheidende Informationen auf Lebensmittelpackungen vorenthalten werden – beispielsweise über die Herkunft der Rohstoffe oder (siehe oben) über den Einsatz von Gentechnik. Und es fängt ja schon bei der Schriftgröße an: Die EU hat die Mindestschriftgröße für die Angaben auf Lebensmittelpackungen auf 0,9 bis 1,2 Millimeter festgelegt – nicht nur ältere Menschen haben Schwierigkeiten das zu lesen.

    Das sind alles Punkte, die wir ändern möchten. Das kann man aber nicht als einzelner beim Einkaufen erreichen – sondern das muss politisch erreicht werden! Deswegen wollen wir nicht nur informieren und Verbraucher aufklären, sondern wir wollen vor allem politisch Druck machen. Wie gesagt, ich kann verstehen, dass man dann als einzelner Konsument vielleicht enttäuscht ist, weil man sich von foodwatch.de mehr konkrete Tipps zum Einkaufen oder zu einzelnen Produkten erwartet hat – aber da sehen wir nicht unser Hauptaugenmerk.

    Ich hoffe, ich konnte dir unsere Position ein wenig erläutern…

    Viele Grüße,

    Andreas von foodwatch

  5. Ich bin von Foodwatch nicht überzeugt. Nein, ich halte sogar nicht einmal viel davon.

    Als Foodwatch an den Start ging, erwartete ich ein kritisches und informatives Portal für Verbraucher. Doch jedes mal wenn ich die Seite besuche, springen mir Schlagzeilen und Fotos in der Art einer bekannten Tageszeitung ins Auge. Es wimmelt von Gefahrenzeichen, Bildern wie einem süßen Pferd, das in einen Kühlschrank gequetscht wird. Schlagzeilen, die gerade aktuell in den Zeitungen hausieren. Die Informationen? Sehr einseitig, meinungsbildend, kurze zwei Minuten Texte wo auch nirgends das Formular zum Unterschreiben fehlt. Dafür viele Texte über den Verein und wie man ihm Geld zukommen lassen kann.

    Mir fehlen Nachweise, Beispiele, Ursachen, eine kritische Beleuchtung, pro/contra, Alternativen für den Verbraucher. Aber als Verbraucher werde ich freigesprochen, bevormundet, denn jede Schuld trägt der Hersteller.
    Nein, ich heiße nicht jede Kennzeichnung gut. Aber wie das Foto schon zeigt: Es steht DRAUF! Genau wie übrigens der Zuckergehalt bei Süßigkeiten. Leute vergleichen wochenlang verschiedene Handy-Modelle, nehmen sich aber keine zwei Sekunden Zeit, einen kurzen Blick auf die Inhaltsstoffe ihrer Lebensmittel zu werfen. Ist man sich nicht sicher, dann kann man sich informieren oder beim Hersteller nachfragen.

    Foodwatch hat durchaus gute Ansätze und rückt Problematiken und Irrtümer ins Licht, klärt aber nicht wirklich auf und informiert kaum.

    Und wenn nicht das im Tee ist was ich möchte- dann kaufe ich ihn einfach nicht. :)

    Grüße

    • Jens Brehl

      Ich kann deine Kritik durchaus nachvollziehen. Das Beispiel mit dem Tee ist eines von mehreren der Kampagne. Auch ich argumentiere oft, dass Konsumenten tagelang Handymodelle und Tarife vergleichen, aber bei Lebensmitteln nicht auf die Packung schauen.

      Ja, beim Tee steht drauf, dass keine Kirschen drin sind, aber warum heißt er dann so? Gerade die Markenhersteller genießen oft das Vertrauen der Konsumenten und erwarten diese Art von Irreführung nicht. Die Gegenfrage ist für mich, ob ein Mobiltelefon noch als Mobiltelefon beworben werden dürfte, wenn es wie eines aussieht und sich so bedienen lässt, man damit aber nicht anrufen kann. Auf der Packung stünde dann im Kleingedruckten so etwas wie „Mobiltelefonaroma“. Ist fast wie Kirschtee ohne Kirschen. Sieht so aus, riecht so, schmeckt so, ist aber kein Kirschtee.

      Die Frage ist ja, warum solch ein Tee gekauft wird. Wenn er wie Blei in den Regalen liegen würde, würde man ihn nicht herstellen. Ist es dem Konsumenten egal, dass keine Kirschen drin sind oder merkt er es gar nicht?

      Viele denken auch, es sei mühsam sich ständig mit Lebensmittel zu beschäftigen. Doch hat man sich einmal die Mühe gemacht, ist es ganz einfach. Wie beim Autofahren: In der Fahrschule hattest du noch Schwierigkeiten auf die Verkehrszeichen und auf die anderen Fahrzeuge zu achten und gleichzeitig den richtigen Gang einzulegen. Doch ist die Praxis einmal drin, läuft das ganze unterbewusst ab.

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