Regionalkiste

„Die Weihnachtserdbeere wird kommen“

Aufbruchstimmung bei der Herbsttagung des Green Food Clusters vergangenen Mittwoch: Mit SymBiotic Food und The Hempany gaben zwei innovative Lebensmittel-Startups Einblicke in Gemüseanbau ohne Acker und neue Bio-Produkte auf der Basis von Hanf. Wie mehr regionale (Bio-)Lebensmittel bei Events Einzug halten, war Kernthema der anschließenden Mitgliederversammlung: Erstmals wurde die Idee des Green Food Caterings vorgestellt.

Frei von Wetterrisiken und mit deutlich geringerem Bedarf an Fläche und Wasser ganzjährig Gemüse ohne Pestizide zu produzieren lautet die Vision von SymBiotic Food. Noch in diesem Jahr geht die erste Vertical Farming-Anlage im Greentech Park Fluxum im hessischen Gernsheim an den Start. Erdbeeren, Basilikum und Pak Choi sind die ersten Kulturen. Künftig soll das System mit einer Fischaufzucht zu einer Aquaponik ausgebaut werden. Dann liefern die Ausscheidungen der Fische wertvollen Dünger. Doch nun gehe es darum, endlich in der Praxis zu beweisen, dass die Technik funktioniert, betonte Gründer und Geschäftsführer Alexander Zillinger.

beenhere

Gemeinsam „über bio“ ermöglichen

Dieser Artikel sowie alle Inhalte von „über bio“ sind für Sie kostenfrei.
Hochwertiger Journalismus kostet neben Zeit für Recherche auch Geld. Ich freue mich über jede Unterstützerin und jeden Unterstützer, die/der das Magazin via Banküberweisung, Paypal oder jederzeit kündbares Abo bei Steady ermöglicht. Seien Sie auch mit dabei.

Mehr durch weniger

Schließlich verspricht das Unternehmen effizienter als bisherige Vertical Farming-Systeme zu sein. Dort sei meist die Abwärme der LEDs, welche das Sonnenlicht ersetzen, ein großes Problem. „Die ist so gewaltig, dass man die gleiche Energiemenge wie für das Beleuchten zusätzlich für die Ventilation aufbringen muss. Da wir auch die Ebene des Anbaus von horizontal zu vertikal gedreht haben, kann bei uns die Abwärme entweichen.“ Die Wurzeln der Pflanzen hängen frei und werden regelmäßig besprüht. „Somit erreichen wir ein perfektes Verhältnis von Luft- und Nährstoffzufuhr.“ Geschmack und Nährstoffgehalt des Gemüses ließe sich beispielsweise durch bestimmte Wellenmuster des Lichts steuern. Die Pflanzen selbst sitzen auf einem Förderband und werden durch den vertikalen Raum gezogen, was letzten Endes die Ernte erleichtert und weniger Personal benötigt. Der größere Clou: „Jedes Mal, wenn die Pflanze die Richtung zur Erdachse ändert, ‚denkt‘ sie gebrochen zu sein und schüttet Wachstumshormone aus“, sagte Zillinger und präzisierte: „Wir betreiben keine Landwirtschaft, sondern eine biologische Prozesstechnik mit Verzicht auf Pestizide. Eine klimaneutrale Produktion ist die Marschrichtung.“

Künftig sollen weitere Anlagen vor allem in der Nähe großer Ballungszentren liegen – ganz flexibel je nach Bedarf mit oder ohne Fischaufzucht. Zudem sollen saisonale Lücken geschlossen werden, denn der von Jahreszeiten und Witterung unabhängige Anbau soll größtenteils antizyklisch erfolgen. „Die Weihnachtserdbeere wird zu einem wettbewerbsfähigen Preis kommen“, versprach Zillinger.

Hanf statt Kuh

Selten läuft alles nach Plan und auch Startups müssen Rückschläge verkraften, worauf Dave Tjiok, Geschäftsführer The Hempany, hinwies. Sein Unternehmen brachte 2021 die erste ökologische, pflanzliche Alternative zu Milch auf Basis von Hanf auf den Markt. Der Slogan „Wir melken Hanfsamen statt Kühe“ auf der Packung bescherte eine Klage der Wettbewerbszentrale: Vorwurf Kundentäuschung. Im anschließenden Prozess unterlag The Hempany und ab einem gewissen Punkt wollte man sich nicht mehr rechtlich streiten. Obwohl es Sonnenschutzmilch und Kokosmilch auf dem Markt gibt, was für die Wettbewerbszentrale kein Problem darstellt. „Es ist wie es ist“, meinte Tjiok.

Die Energie sei besser in das Weiterentwickeln der eigenen Produkte investiert. Die Rezeptur des Bio-Hanfdrinks hemi wird kommendes Jahr überarbeitet. Hanfsamen sind Ölsaaten und bringen einen nussigen Geschmack mit sich. Daher wird hemi der zweiten Generation Hafermilch beigemischt, welche dann ihr süßes Aroma beisteuert. Neue Getränke unter der eigenen Marke oder der eines Kooperationspartners sollen zudem auf den Markt kommen. Bislang liefert The Hempany einen wässrigen Auszug aus Hanfblättern, den true fruits seinen Smoothies beimengt. Darüber hinaus bereitet The Hempany gemeinsam mit einem Partner pflanzliche Bio-Fleischersatzprodukte vor.

Green Food Catering: Mehr regional und bio

Auch auf der anschließenden Mitgliederversammlung des Green Food Clusters herrschte Aufbruchstimmung, als Christoph Jestädt, Geschäftsführer Hannheinehof, die Idee zum Green Food Catering vorstellte. Das Konzept lebt in Teilen bereits in der Praxis, wenn er beispielsweise am Verkaufsstand bei Veranstaltungen neben seinen Bio-Getränken auch Bio-Backwaren von antonius und Eis der Eisheiligen anbietet.

Es müsse deutlich einfacher sein, regionale und bestenfalls ökologisch erzeugte Produkte im Catering unterzubringen. Daher schweben Jestädt und Michél Günther (Die Eisheiligen) eine Buchungsplattform vor, auf der Kunden individuell im Baukastensystem Speise- und Getränkeangebot für Firmenfeiern, Festivals und dergleichen zusammenstellen können. „Für die beteiligten Caterer muss dann allerdings klar sein, dass sie regional einkaufen müssen. Fleisch stammt von Tieren aus der Region, geschlachtet im Erzeugerschlachthof Kurhessen. Im Topf landen Gewürze aus dem Hause Fehrmann und so weiter.“ Tatsächlich bieten die Mitglieder des Green Food Clusters eine breite Palette an (Bio-)Lebensmitteln. „Marken werden in der Gastronomie bekannt und groß gemacht.“ Zudem müssten Caterer aus der Region Aufträge wegen Personalmangel ablehnen. Hier möchte Jestädt mit einem gemeinsamen Personalpool für Abhilfe sorgen.

Leuchtturmprojekte seien für die Sichtbarkeit notwendig, müssten allerdings auch wirtschaftlich nachhaltig sein, betonte Cluster-Präsident Bernd Müller. In Jestädts Idee sah er eine große Chance, beides zu vereinen. Nun heißt es etliche Details auszuarbeiten: Cateringunternehmen gilt es als Partner zu gewinnen, die Haftung bei Personalüberlassung ist zu klären, ebenso wie Bestellmöglichkeiten und Logistik.

Einen möglichen Probelauf im kommenden Jahr brachte Sven Euen, Vorstand Erzeugerschlachthof Kurhessen, mit einem Tag der offenen Tür seines Betriebs ins Spiel. Hier könnte sich das Green Food Catering ausprobieren und verschiedene Stände bespielen. „Wir hatten am Tag der offenen Tür 2019 über 1.500 Besucher“, zeigte sich Euen hinsichtlich des Interesses an einem solchen Event zuversichtlich.

0 Kommentare zu “„Die Weihnachtserdbeere wird kommen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert