Bio? Logisch!

Muss Spuren vom Bruderhahn enthalten

Als die vier großen Anbauverbände und weite Teile der Bio-Lebensmittelbranche sich einigten, dass Bruderhähne der Legerassen aufgezogen werden müssen und die Geschlechtsbestimmung im Ei geschlossen ablehnten, war die Welt eine andere. In den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie schoss die Nachfrage nach hochwertigen und damit hochpreisigen Bio-Produkten schlagartig in die Höhe. Die Vorzeichen haben sich umgekehrt und die unwirtschaftliche und ökologisch fragwürdige Aufzucht der Bruderhähne hat sich vielerorts zu einem finanziellen Problem entwickelt. Wie das zu lösen ist, diskutierten Vertreter der Anbauverbände Bioland, Naturland, Demeter und Biokreis auf der Fachmesse BioSüd in Augsburg. In einem waren sie sich einig: Auf freiwilliger Basis kann es bei Verarbeitern und Handel nicht mehr weitergehen.

„Bio-Legehennen-Betriebe verdienen derzeit kein Geld und tun dies gefühlt seit eineinhalb Jahren nicht mehr“, brachte Josef Brunnbauer, Geschäftsführer Biokreis, die Situation auf den Punkt. Die sparsamer gewordene Kundschaft greift zu günstigeren EU-Bio-Eiern und lässt die Verbandsware verstärkt links liegen. Die Kalkulation die Bruderhahn-Aufzucht, die bei allen Anbauverbänden mit Ausnahme von Biopark Pflicht ist, durch einen höheren Eier-Preis zu finanzieren geht vielerorts nicht mehr auf. „Wenn ein Betrieb für ein Ei nur 19 Cent von der Packstelle bekommt, kann er seine Kosten nicht decken. Am Schluss werden meist nur zwei Cent mehr benötigt. Aktuell sind weder der Handel noch die eine oder andere Packstelle in der Lage, dies zu bezahlen.“

Den Bruderhahn über einen höheren Eierpreis zu finanzieren könne sowieso keine Dauerlösung sein, wie Oliver Alletsee, geschäftsführender Landesvorsitzender Bioland Bayern, anmerkte. „Auch in unserem Verband haben wir mit den Legehennenhaltern eine schwierige Diskussion, die zum Bruderhahn stehen, aber auch wirtschaftlich am Leben bleiben wollen. Das sind die Realitäten“, machte Martin Bär, Geschäftsführer Naturland Baden-Württemberg, deutlich. Bei Naturland sei es nicht im Gespräch, die Pflicht zur Buderhahnaufzucht abzuschaffen und die Geschlechtsbestimmung im Ei – „denn die wird von uns allen abgelehnt“ – zu erlauben.

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Der Bruderhahn selbst kann kaum etwas beitragen, denn bedingt durch seine Genetik verbraucht er viel Futter und bringt am Ende wenig Fleisch, welches im schlimmsten Fall niemand haben möchte. „Wir sind ethisch und moralisch verpflichtet, eine Lösung zu finden“, sagte Alletsee. Bioland-Betriebe halten nach seinen Angaben jährlich zwei Millionen Legehennen. Naturland-Geflügelhalter kämen auf über eine Millionen Legehennen jährlich, erklärte Bär. Und zu jeder Legehenne muss ein Bruderhahn in der ökologischen Mast einen Platz finden.

Der Markt regelt es nicht

„Als Bio-Verbände haben wir eine Vision vor Augen gehabt, die dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren“, mahnte Johannes Kamps-Bender, Vorstand Demeter. Um dem Bruderhahn auf die Sprünge zu helfen und einen gesicherten Absatz für dessen Fleisch zu schaffen, brauche es eine „Radikalisierung der Zusammenarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette“. Ohne Vorgaben mindestens zu einem gewissen Prozentanteil Bruderhahnfleisch zu verarbeiten, bleibe es bei einer Freiwilligkeit, die nicht funktioniert und bei der man nicht verbleiben könne.

Sascha Damaschun, Geschäftsführer des Bio-Großhändlers Bodan aus dem baden-württembergischen Überlingen, wünschte sich in den Verarbeiter-Richtlinien aller Anbauverbände eine Beimischung verbindlich zu integrieren. Dafür müsse allerdings auch der Handel mit garantierten Abnahmen zur Seite stehen, der sich wiederum mit seinen Aufschlägen zurückhalten müsse, damit die Produkte auch preislich attraktiv bleiben und „wir uns nicht aus dem Wettbewerb kegeln. Das würde uns im Mengenstrom deutlich nach vorne bringen. Wenn wir es bei der Freiwilligkeit belassen, sind wir in der aktuellen Marktlage nicht fähig das Bruderhahnfleisch unterzubringen.“ Um mit dem ethischen Mehrwert auch werben zu können, brauche es natürlich auch eine verbindliche Form der Auslobung – sprich ein weiteres Siegel. Damaschun machte deutlich, dass im Handel Eier und Fleisch immer als Einheit betrachtet und im Sortiment entsprechend abgebildet werden müssen.

„Wenn wir ehrlich sind, verschieben wir den Tod der Küken um ein paar Wochen, verbrauchen eine Menge Futter und können die Tiere am Schluss nicht vermarkten. Die richtige Lösung, die wir wollen, muss das Zweinutzungshuhn sein.“

Oliver Alletsee, geschäftsführender Landesvorsitzender Bioland Bayern

„Für große Wursthersteller wie beispielsweise Hans Kupfer (seit 2019 Bioland-Partner – Anmerkung Jens Brehl) spielt es keine Rolle, ob für die Handelspartner noch 20 Tonnen Bruderhahnfleisch der Bio-Geflügelwurst beimischt werden. Die Bruderhähne müssen lautlos mitvermarktet werden“, forderte Alletsee. Alles mit dem Ziel, die Bruderhahnaufzucht letztendlich zu überwinden. „Wenn wir ehrlich sind, verschieben wir den Tod der Küken um ein paar Wochen, verbrauchen eine Menge Futter und können die Tiere am Schluss nicht vermarkten. Die richtige Lösung, die wir wollen, muss das Zweinutzungshuhn sein.“

Mit Zweinutzungsrassen am Ziel

Doch die Produkte von Zweinutzungsrassen, die wieder über eine ausgeglichene Balance zwischen Eierlegeleistung und Fleischansatz aufweisen, sind noch hochpreisiger und damit entsprechend schwieriger zu vermarkten. Anders als die einseitig auf hohe Leistung gezüchteten Rassen legen Zweinutzungshühner weniger Eier, die Mast der Hähne dauert länger und ihr Schlachtgewicht ist geringer.

Bereits seit 2011 ist Naturland mit dem Projekt Ei Care am Start. Fleisch und Eier von alten Rassen wie Le Bleues oder später auch von aktuellen Zweinutzungsrassen der gemeinnützigen Ökologischen Tierzucht werden exklusiv über den Berliner Bio-Großhändler Terra Naturkost im Fachhandel vermarktet. „Es ist ein schwieriges Thema hier voranzukommen“, gab Bär unumwunden zu.

Am Ende des Tages braucht es auch hier auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette feste Verpflichtungen, denn noch haben Zweinutzungsrassen lediglich einen geschätzten Anteil von maximal zwei Prozent in der Bio-Geflügelhaltung. Weiteren Schwung hätte Demeter auf der Delegiertenversammlung im kommenden Jahr bringen können. Ursprünglich wollte man über eine Quote für Zweinutzungsrassen debattieren und abstimmen, der Antrag wird allerdings gar nicht erst gestellt. Davon versprochen hätte man sich einerseits die ökologische Zuchtarbeit weiter zu unterstützen, wie auch einen Impuls in Richtung Verarbeiter und Handel zu senden, sich mit dem Thema zu befassen.

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